Deadpool und der Punisher können sich mit Fug und Recht erfahrene Spezialisten nennen, wenn es darum geht, ganze Superhelden-Universen auszulöschen (wie übrigens auch Mad-Ikone Sergio Aragones, der schon 1999 DC und Marvel den Garaus machte!). Während Frank Castle bereits 2001 ran durfte (und in einer erweiterten Neuauflage 2016, die wir HIER besprochen haben), wütete unser allerliebster Merc with a Mouth – demnächst übrigens in seinem zweiten Kino-Abenteuer zu bewundern –2013 erstmals unter seinen Superhelden-Kollegen. Und jetzt schon wieder. In einem Parallel-Universum, versteht sich, fernab von jeglicher Marvel-Kontinuität.
Aber eigentlich ist Deadpool nur ein willfähriges Werkzeug. Er merkt nicht, was er tut. Denn diverse berüchtigte Marvel-Schurken, allen voran Red Skull, Magneto und Doktor Doom, benutzen ihn als Schläfer, der aktiviert wird, um Superhelden zu meucheln. Ohne dass er es weiß. Oder besser: Wissen sollte. Denn irgendwas in ihm ahnt, was Sache ist, und so sendet er einen Hilferuf an seine Verfolger, die u.a. aus Jessica Jones, Moon Knight, dem Punisher und seinem alten Kumpel Cable bestehen. Die kommen dennoch immer zu spät zu den Tatorten und dürfen sich die Sauerei anschauen. Denn Deadpool dezimiert die Heldenschar mit einer bemerkenswerten Leichtigkeit und Ausdauer, wobei er keinen großen Unterschied macht: seine Opfer sind Helden aus der zweiten Reihe, wie auch Hochkaräter, wie Spider-Man. Und für die ganz Mächtigen, wie Hulk, Iron Man oder Captain America, stattet man ihn mit dem Körper von Ultron aus, der ihn vollends zum Über-Killer macht. Nur Gwenpool, seine Kollegin und Verwandte im Geiste, entschlüsselt die Taten und versucht das Unmögliche, indem sie Deadpool stellt und mit der Wahrheit konfrontiert…
Wade Wilson kennen wir als gnadenlosen Spaßvogel, der gerne auch mal die vierte Wand durchbricht und direkt mit dem Leser kommuniziert. Hier verhält er sich eher passiv, was auch an dem Motiv des ferngesteuerten „Manchurian“ Superhero liegt, der als Schläfer keinen eigenen Willen zeigt, wenn er auf Mordtour geschickt wird. Die Originalität entsteht also nicht durch flotte, freche Sprüche, sondern vielmehr durch die Optik, sie sich immer dann verändert, wenn Deadpool seine Taten begeht. Dann sehen wir nicht die Realität, sondern das, was ihm vorgegaukelt wird. Dies sind dann Bild- und Stilzitate aus dem Comic-Genre, oder aus anderen Phantastischen Medien. Mal erleben wir eine Funny-Optik ganz nach den beliebten Baby-Covers von Skottie Young, mal kommt der Retro-Stil mit groben Farbrastern zum Tragen, dann eine schwarz-weiße Manga-Optik. Und Spider-Man 2099 muss in einem kaum kaschierten Blade Runner Ambiente dran glauben. Die Morde selbst sehen wir dabei nicht, nur die Folgen des Gemetzels, dann natürlich wieder in der Realität.
Trotz dieses Kniffes (sämtliche Stilrichtungen beherrscht Zeichner Dalibor Talajic virtuos) und des relativen Ernstes der Handlung (für die wie beim Erstling Cullen Bunn verantwortlich ist) gibt es auch diverse gelungene Gags, wie beispielsweise bei der (eingebildeten) Verhandlung mit Daredevil („Sprich mit der Hand“) oder wenn Deadpool beim Kampf gegen Gwenpool auf deren ersten Comic-Auftritt anspielt (als „Variant-Cover-Niete“). Am Ende macht Wade dann doch noch Tabula rasa, dann ganz ohne falsche Visionen. Dann bricht auch endlich der typische Sprachwitz durch und es wird noch einmal extrem blutig, natürlich im Rahmen des bekannten Deadpool-Humors – Stichwort „Bullseye“. Für die wahren Freunde gepflegter Comic-Universen-Vernichtungen legte Panini anlässlich der Leipziger Buchmesse ein Variant-Cover auf, limitiert auf 777 Stück, das sogar noch erhältlich ist. Der neue Deadpool Film, inkl. reichlich X-Men Jugend, startet übrigens am 17. Mai. (bw)
Deadpool killt schon wieder das Marvel-Universum!
Text: Cullen Bunn
Bilder: Dalibor Talajic, Goran Sudzuka
116 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
13,99 Euro
ISBN: 978-3-7416-0777-6