Moon Knight, Band 1 (Panini)

Juni 3, 2015

Moon Knight, Band 1 (Panini)

Marc Spector ist eigentlich tot. Kehrte allerdings aus dem Reich der Toten zurück, dank der Intervention des ägyptischen Mondgottes Khonshu, an dessen Statue er von seinen Spießgesellen heimtückisch ermordet wurde. Als Moon Knight durchquert er seitdem als Beschützer der nächtlichen Reisenden die Finsternis und geht dabei durchaus rabiat gegen allerlei Kroppzeug vor, sei es Verbrecher, Werwölfe oder andere Halunken. Neben seinen insgesamt vier Persönlichkeiten – na das nennt man mal eine Spaltung, oder? – wurde er dabei tatkräftig unterstützt von seinen Gehilfen Marlene Alraune und Jean-Paul Duchamp, bis er neben seiner Psychose auch noch komplett den Verstand verlor und verschwand. Bis er plötzlich wieder auftaucht und in New York von Detective Flint unter die Fittiche genommen wird. Denn der pfeift auf den Befehl, alle maskierten Vigilanten einzubuchten, und nimmt die Hilfe der ganz in weiß gekleideten Gestalt, die man ausschließlich Mr. Knight nennen darf, allzu gerne an.

In der Story ‚Slasher‘ etwa macht Herr Spector einem durchgeknallten ex-Shield-Agenten die Hölle heiß, der seinen geschundenen Körper gezielt mit „Ersatzteilen“ von eigens ermordeten, körperlich ertüchtigten Zeitgenossen repariert. In ‚Sniper‘ schaltet ein Söldner gezielt seine ehemaligen Kumpane aus, die sich lukrativeren Jobs in der Finanzbranche zugewandt haben – alle bis auf einen, der ihn unter den Augen des verblüfften Spector aus dem Weg räumt. In der vielleicht coolsten Story ‚Box‘ sieht sich Moon Knight geisterhaften Punks gegenüber, die er erst dann attackieren kann, als er sich ein Gewand von seinem Göttervater Khonshu überstreift und so ins Totenreich eintaucht. Ein waghalsiges Schlaf-Experiment bringt ihn in ‚Sleep‘ an den Rand des (erneuten) Wahnsinns, ‚Scarlet‘ zeigt ihn als Befreier eines entführten Kindes, für das er sich über sechs Stockwerke kämpfen muss und dabei eine Schneise der Zerstörung hinterlässt, während in ‚Spectre‘ ein gefrusteter Streifenpolizist in die Rolle von Moon Knights Erzfeind Black Spectre schlüpft, um ihm den Rang abzulaufen, was gehörig in die Hose geht.

Starautor Warren Ellis (u.a. Transmetropolitan, Planetary, Secret Avengers, Iron Man) ist einer der wenigen, der im Haus der Wunder Forderungen stellen darf: für sein Reboot der klassischen Figur, die schon 1975 unter den Händen von Doug Moench und Don Perlin das Licht der Welt erblickte, hatte er sich ausbedungen, jeweils einzelne, abgeschlossene Geschichten vorlegen zu dürfen, um verschiedene Facetten des Charakters zu beleuchten, jenseits von allen übergreifenden Storylines und Megaevents. Grundsätzlich setzt Ellis an der Neuinterpretation an, die Charlie Huston 2004 lieferte – dort wurde der immer schon als Anti-Held konzipierte Marc Spector vollends zum Psychopathen mit massiver Persönlichkeitsstörung, der schließlich dem Wahnsinn verfällt. Ellis nähert uns allerdings den psychologischen Vorgängen ein wenig an: Spector haust in einer Villa, in der er sich gerne mit einer Inkarnation von Khonshu unterhält und seine Beweggründe erläutert. Wie sein Branchenkollege Batman ist er getrieben von einer Psychose, in seinem Falle dem Zwang, „Vergeltung an denen zu üben, die nächtlichen Reisenden Leid zufügen“, wie es eine Psychologin treffend formuliert.

Gegen seine Widersacher geht er dabei konsequent und gnadenlos vor, unterstützt von technischen Gimmicks wie interaktiven Karten, einem computergesteuerten Auto oder einem Flugdrachen in Mondform, der auf seine Kommandos hört. Mitfühlend wirkt er dagegen bei der Befreiung des entführten Mädchens, das erkennt, dass seine weiße Maske sein eigentliches Gesicht ist – Spector ist nur eine Verkörperung der Präsenz des Totenreichs, der altägyptischen Mythologie. So entstehen sechs inhaltlich verdichtete, spannende und immer spektakuläre Erzählungen um Schuld, Sühne und Gewalt, die Declan Shalvey (Thunderbolts, Deadpool) stimmig umsetzt. Der Zeichenstil orientiert sich grundsätzlich am leicht stilisierten Superhelden-Duktus, setzt aber auch häufig den erzählerischen Inhalt optisch um, wie etwa bei der Kombination von Handlungsabläufen mit Gedankenwelten (‚Sniper‘), psychedelischen Sequenzen (‚Sleep‘) oder langen, filmhaften Abfolgen ohne Dialoge (‚Scarlet‘). Eine gelungene Neuvorstellung eines alten Bekannten, von der es im Sommer bereits Band 2 geben soll. Der erscheint als limitierte Variant-Ausgabe bereits zum Comicfestival in München, bei dem Declan Shalvey einer der Gäste von Panini sein wird. Die vorliegende Ausgabe präsentiert fürs erste die US-Hefte ‚Moon Knight‘ 1-6 von 2014. (hb)

Moon Knight, Band 1: Aus dem Reich der Toten
Text: Warren Ellis
Bilder: Declan Shalvey
140 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
16,99 Euro

ISBN: 978-3-95798-423-4

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