Rechtzeitig zum Start des neuesten Avengers-Kinospektakels Age Of Ultron, in dem sich the world’s mightiest heroes ja mit einer außer Kontrolle geratenen künstlichen Intelligenz herumschlagen dürfen – und zwar in Farbe, 3D, spektakulären Effekten und manch überraschender Wendung – legt Panini das namensgebende „Mega-Event“ in einem wahrhaft fetten Band mit mehr als 320 Seiten vor, das im Original bereits 2013 auf die Fanschar losgelassen wurde.
Und dort beginnt alles mit einem Paukenschlag – nämlich der Apokalypse, der vollständigen Vernichtung der Menschheit nebst der Mehrzahl ihrer Helden, die dem übermächtigen Ultron tatsächlich gelungen ist. Durch die Ruinen der Welt irren versprengte Überlebende, der Anführer Captain America scheint gebrochen, Thor, Hulk, die Fantastischen Vier (mit Ausnahme von Sue Storm) und viele andere sind tot, Black Widow ist entstellt, Spiderman wird entführt und soll an einen irgendwie nicht aufzufindenden Ultron verkauft werden. Irgendwann kreuzen sich die Wege nach einiger Unbill: die letzten Vorkämpfer finden sich im Shield-Geheimbunker im Wilden Land ein, wo Nick Fury das letzte As in Form des einzigen Ausweges aus dem eigentlich schon besiegelten Untergang aus dem Ärmel zieht. Offenkundig greift Ultron aus der Zukunft an – eine Information, für die Luke Cage sein Leben ließ – weshalb sich Fury mit einem letzten Kommando mittels Doktor Dooms Zeitmaschine dorthin auf den Weg macht, um dem Blechkopf Saures zu geben. Der zurückgebliebene Wolverine kommt aber auf ganz andere Gedanken: warum in die Ferne, also die Zukunft schweifen, wenn man das Übel viel direkter an der Wurzel packen kann – sprich, in die Vergangenheit eingreifen und verhindern, dass Ultron jemals gebaut wird? Logan ist Logan, also fackelt er nicht lange, klemmt sich Susan Storm unter die Krallen und stattet dem Erbauer des Roboters einen unsanften Besuch ab.
Hank Pym, seines Zeichens Mega-Brain und Superheld mit Kontrolle der Körpergröße, staunt nicht schlecht, als ihm ein klauenbewehrter Halbwilder eröffnet, dass er ihn zum Wohle aller jetzt wohl umbringen müsse – denn, wie er sich blumig ausdrückt, „die ganze Welt ist im Arsch!“ Trotz Sues Flehen macht Wolverine dem vergeblich auf Gigantengröße angewachsenen Pym den Garaus – in der Hoffnung, die Geschickte der Welt zum Besseren geändert zu haben. Aber Logan weiß gar nicht, wie sehr er sich irrt: er hat das Zeitkontinuum zwar verändert, aber die Zukunft sieht ohne Pym und Ultron ebensowenig rosig aus. Wieder in der Gegenwart angekommen, müssen Wolverine und Susan feststellen, dass die Erde durch eine ziemlich aggressive Ausgabe der Rächer, den Defenders, zu denen auch eine alternative Ausgabe von Logan gehört, gegen permanente Angriffe aus der Welt der Magie verteidigt wird. Nachdem sich ein fast vollständig zum Cyborg reduzierter Iron Man, Professor Xavier und Emma Frost davon überzeugen, dass die Geschichte des plötzlich angekommenen Wolverine zwar unglaublich, aber wahr sein muss, führen sie Logan auf drastische Art vor Augen, dass seine Tat keinesfalls positive Auswirkungen hatte – ohne Pym kein Ultron, ohne Ultron kein Rächer namens Vision, und ohne die beiden haben nach verheerenden Kriegen gegen Latveria und die Skrulls magische Invasoren unter der Führung von Morgana Le Fey die Oberhand gewonnen.
Just in diesem Moment starten diese eine neue Attacke, die in der endgültigen Vernichtung mündet. Der wie immer überlebende Wolverine muss seinen Fehler erkennen und macht sich ein zweites Mal Richtung Vergangenheit – mit im Gepäck einen Trick, den ein ramponierter Tony Stark ersonnen hat: Wolverine muss Pym überzeugen, Ultron einen Virus einzubauen, der erlaubt, dass sich die Geschichte so abspielt wie gewohnt, man aber kurz vor dem Vernichtungsfeldzug den Stecker ziehen kann. Also auf zur nächsten Zeitreise, in der ein klügerer Logan auf sein zum äußersten entschlossenes Alter Ego trifft und mit Hilfe von Sue Storm gerade noch schafft, Pyms Ermordung zu verhindern. Starks List geht auf: in einer ultimativen Schlacht gelingt es tatsächlich, Ultron zu übertölpeln und ihn kurz vor seinem finalen Sieg zu deaktivieren. Also alles gut? Nicht so ganz – die permanenten Zeitreisen haben das Zeitkontinuum nachhaltig gestört, und die Eingriffe in den Lauf der Dinge richten das an, was Tony Stark als „multiverselles Chaos“ bezeichnet. In anderen Worten: die Geschichte ist zwar wieder hergestellt, aber mit kleinen, feinen Unterschieden, die sich auf Parallelwelten noch viel stärker durchsetzen, als etwa ein alternativer Spiderman sich einer wohlbekannten, riesigen Figur mit leuchten Augen und Antennen auf dem Helm gegenübersieht und sogar der uralte Engel Angela aus dem Spawn-Universum in unsere Dimension herüberschaut…
Mit dem gleichnamigen Kinofilm, der derzeit die Charts stürmt, hat dieses Epos, das aus insgesamt zwölf Einzelheften besteht, außer dem Grundkonzept des Roboters, der von den Rächern geschaffen wird und sich dann gegen sie wendet, eher weniger zu tun. Oberchef Brian M. Bendis entfesselt hier mit seinen Kollegen Bryan Hitch, Carlos Pacheco, Mark Waid und anderen vielmehr ein epochales Spektakel, das ein zentrales Thema der Science Fiction zum Kern hat: läßt sich die Zukunft verändern, wenn man in die Vergangenheit eingreift? Die Grundidee, den Schöpfer einer später bedrohlichen Maschine zu ermorden, bevor er zum Schöpfer wird, kommt uns natürlich nicht ohne Grund bestens bekannt vor – immerhin klopfte schon 1984 ein grimmiger Cyborg an die Tür einer gewissen Sarah Connor. Das führt stets zu Verwicklungen und teilweise auch zu Logik-Brüchen, und auch wenn diese hier durchaus gekonnt umschifft werden, wird dem Leser schon einiges abverlangt, wenn Wolverine 1 und 2 gleichzeitig auf den armen Hank Pym losgehen und die Gegenwart dann in verschiedene Parallelwelten abdriftet.
Die Frage, ob die Wissenschaft alles darf, was sie kann, streift Bendis eher am Rande – Pym würde niemals darauf verzichten, die künstliche Intelligenz zu erschaffen, aber von Starks Kniff lässt er sich dann relativ schnell überzeugen. Im angehängten Epilog, in dem Pym akzeptiert, dass sein Leben vor allem als wahlweise wachsender und schrumpfender Held einen Sinn ergibt, beleuchtet diese Thematik schon etwas komplexer. Für alle Avengers-Kenner ein schmissiger Lese-Spaß, der trotz voluminösen Umfangs immer bestens zu unterhalten versteht und teilweise recht heftig daherkommt. Als besonderer optischer Leckerbissen wechselt der Zeichenstil bei den Szenen in der Vergangenheit in den klassischen Marvel-Duktus mit gelben Spandex-Anzügen. Übrigens: dass Ultron auf der Kinoleinwand nicht von Hank Pym, sondern von Tony Stark geschaffen wird, liegt wohl in erster Linie darin, dass das Marvel Cinematic Universe den Ameisenmann noch nicht kennt – aber das ändert sich ja sehr bald: bereits Ende Juli startet Ant-Man in den Kinos. Der vorliegende Sammelband enthält die US-Hefte Age Of Ultron 1-10 sowie die Ausgaben Ultron 1: AU sowie Age Of Ultron: AI, die von Mai bis September 2013 in den USA und kurz darauf bei Panini in fünf Heften erschienen. Für Sammler wird wieder eine auf 333 Stück limitierte Hardcover-Ausgabe aufgelegt. (hb)
Avengers: Age of Ultron
Text: Brian M. Bendis, Mark Waid
Bilder: Bryan Hitch, Carlos Pacheco, Brandon Peterson
324 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
24,99 Euro (Softcover)
39 Euro (Hardcover)
ISBN: 978-3-95798-316-9