Schallröhren. Ungefähr 38 Grüne Leuchten. Sätze wie „Das multiversale Planetarium überstand die Reparaturen nach dem Verlust von Universum 52“, völlig ungerührt ausgesprochen. Superman mit 4D-Blick. Einer von drei Roten Blitzen, der aus der Zukunft in die Vergangenheit rennt, in der er eigentlich längst tot ist.
Das alles – und, wie ein großer deutscher Philosoph so treffend sagte, und noch viel mehr – bietet das gewaltige Epos, das uns die Paninis hier in einem Omnibus-Band servieren. Selbst leidlichen Kennern des DC-Universums dürfte es nicht gerade leicht fallen, sich in dieser wahrlich multiversellen Story zurechtzufinden. Versuchen wir es trotzdem: die Erde wird von den New Gods, ihres Zeichens Bewohner der Parallelwelten von Apokolips und New Genesis, attackiert. Die ganze Malaise beginnt, als man den ermordeten Kriegsgott Orion auffindet und dafür einen gewissen Hal Jordan vor den Rat der Wächter von Oa zerrt. Dass es sich dabei nur um eine Finte eines ganz gewissen Herren handelt, ist klar: von allen Seiten infiltriert der sinistre Darkseid mit Hilfe seines Lakaien Libra sämtliche 52 (ja ja) Welten, unterwirft sich dabei die Menschheit und impft ihnen obendrein seine Anti-Lebens-Formel ein (unklar? Ich vereinfache hier drastisch). Nicht nur die Gerechtigkeitsliga, nein, schlicht und ergreifend alle Helden aller Welten (und das sind ne ganze Menge) ziehen so dann in den Kampf, um die finale Krise, die drohende Auslöschung der Erde in allen Ausprägungen, abzuwenden. Eine entscheidende Rolle fällt dabei ausgerechnet einem so gar nicht übermenschlichen Mitternachtsdetektiv zu, der sich schließlich alleine dem grimmen Darkseid gegenübersieht…
Es ist wahrlich ein Grande Furioso, was uns der Schotte Grant Morrison, der schon den JLA- und Batman-Serien sowie All-Star Superman seine ganz eigene Note verlieh, in dieser Mini-Serie entfesselt. Inszeniert von J.G. Jones und Doug Mahnke, erschien Final Crisis 2008 über einen Zeitraum von fast einem Jahr und wird in diesem Sammelband ergänzt um die Tie-Ins Final Crisis: Submit und Final Crisis: Superman Beyond. Aufgegriffen wird in diesem „Superevent“ die Grundidee von Jack „The King“ Kirby, der nach seinem enttäuschten Abgang bei Marvel schon Anfang der 70er in seiner Fourth World-Serie für DC das Konzept der Gegenwelten von New Genesis und Apokolips schuf, um damit dem damaligen DC-Universum eine ganze Armada von Charakteren hinzuzufügen. Das flog aber nie so recht, bis Morrison die Konstellation für seine Seven Soldiers- und JLA-Bände aufgriff, was er nur mit einem Rundumschlag erneut tut. Das Krisenszenario selbst geht dabei zurück auf die grundsätzliche Neuordnung des DC-Universums in dem 1985er-Happening Crisis On Infinite Earths (einen Pokal schon mal allen, die das s nach dem th richtig über die Lippen bringen), in dem man sich aller Kontinuität und Historie flugs entledigte und einen kompletten Reboot hinlegte. Dem folgte dann 1994 Zero Hour: A Crisis in Time und schließlich 2006 Infinite Crisis, wo man sich auf die Idee der Multiversen zurückbesann. 52 an der Zahl, die Erde nur eine davon. Und hier packt Morrison nun wieder an. Alles klar so weit? Wer möchte, kann noch ein paar Spiderman-Klone dazumischen.
Die Story fällt von kosmischen, existenzialistisch verbrämten Höhen (die eingebetteten Superman Beyond-Teile rufen das ganz große Pathos auf, allerdings in einer solchen Komplexität, dass manch einer nur noch die Stirn runzeln dürfte) über faszinierend-verstörende Elemente (eine vom Bösen befallene Wonderwoman hat schon was) bis hin zu zwischenmenschlichen, feinen Tönen – und genau die sind es, die vor allem überzeugen können: der Einsatz des altbekannten Black Lightning (yo mähn!), die Rückkehr des Barry Allen zu seinen Lieben (wenn auch höchst verkürzt motiviert), und vor allem – wie immer, möchte man sagen – ein desillusionierter Oliver Queen, dessen Zynismus als Green Arrow seine zutiefst menschlichen Regungen kaum zu überdecken vermag. Schade und fast ein wenig vergeben ist die Szene, in der die Repräsentanten von Apokolips zur Demonstration, dass sie es ernst meinen, einen der traditionsreichsten Recken der JLA (einen gewissen grünhäutigen Marsianer) zu Strecke bringen – fast schon zu lapidar tritt da einer ab, der immerhin von der Stunde Null an dabei war.
Final Crisis ist ein in jeder Hinsicht anspruchsvolles Werk: 340 Seiten (in denen noch nicht einmal jedes einzelne Heft enthalten ist, das in irgendeiner Form mit der Serie zu tun hatte), bevölkert von Legionen von Charakteren, teilweise nur mit Kurzauftritten. Die Linearität der Erzählung ist aufgebrochen in einer fast schon assoziativen Erzählweise, ständigen Szenenwechseln (von Morrison passend „Channel Zapping“ genannt) und nur angerissenen Handlungshintergründen. Letztlich ist das, was Morrison selbst als seinen Herrn der Ringe bezeichnete, ein hermetisches Kunstwerk: in seiner Gänze nur für ihn selbst zu verstehen, voller Referenzen und Andeutungen, die keiner außer dem Autor vollständig erfassen kann – so etwas hat sich eigentlich nur James Joyce in Finnegans Wake erlaubt. Ob einem Grant Morrison das zusteht, sei dahingestellt. Und das ist eigentlich auch die Krux: für Einsteiger ins Superheldengenre ist Final Crisis ohnehin gänzlich ungeeignet, aber auch Kennern der Materie verlangt Morrison einen derart langen Atem ab, dass nicht wenige auf halber Strecke das Handtuch werfen dürften. Wer Standhaftigkeit zeigt, der wird allerdings immer wieder weniger durch die großen Gesten als viel mehr die kleinen Zwischentöne belohnt. Und durch teilweise wirklich atemberaubende Tableaus. (hb)
Text: Grant Morrison
Bilder: J.G. Jones, Doug Mahnke, Carlos Pacheco u.a.
340 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
24,95 Euro
ISBN 978-3862010011