Zweiter Weltkrieg. In den USA sorgt ein patriotischer Kämpfer für Furore, ein schier unbezwingbarer Supersoldat, der sich in ein Kostüm des amerikanischen Sternenbanners kleidet: Captain America. Der junge James Barnes entdeckt zufällig, dass sein Freund Steve Rogers in Wahrheit genau jener Captain America ist und wird von diesem anschließend als Sidekick Bucky ausgebildet. Bald folgen erste Einsätze auf den Schlachtfeldern, wobei das Duo mit Sgt. Nick Fury und dessen Howling Commandos erfolgreich zusammenarbeitet. Ein neuer Auftrag führt die Truppe nach Frankreich. Doch ehe es die französische Küste erreicht, wird das Flugzeug abgeschossen und Cap, Bucky und die Howlers geraten in Nazi-Gefangenschaft. Aber nur vorübergehend, denn die Herrenmenschen – dumm und überheblich, wie man sie aus Film- und Fernsehen kennt – ziehen natürlich den Kürzeren. Bald treffen die Amis auf ihre französische Kontaktgruppe, den „Cirque de la Revolution“, eine kuriose Truppe aus Artisten und Kampfsportlern, die von der rassigen Zigeunerin Marilyne angeführt wird. Jetzt wird auch das Ziel der Mission klar: Red Skull, das verunglückte Nazi-Pendant des amerikanischen Supersoldaten, hält sich in Paris auf, um den Louvre um dessen Kunstwerke zu erleichtern…
„Daredevil: Gelb“. „Spider-Man: Blau“. „Hulk: Grau“. Und nun „Captain America: Weiß“. Erneut wirft das künstlerisch kongeniale Duo Jeph Loeb und Tim Sale einen Blick auf die prägenden Anfangstage und Schlüsselmomente eines Marvel-Superhelden. Auf Geschehnisse, die das Leben und den Werdegang der jeweiligen Figur entscheidend beeinflussen sollten. Bekannt wurden die beiden Herren jedoch durch Werke bei der Konkurrenz: die Batman Epen „Das lange Halloween“ und „Dark Victory“ sind beides moderne Klassiker in der langen Geschichte der DC-Fledermaus. Eigentlich begannen die Arbeiten an „Captain America: Weiß“ bereits 2008, doch diverse Verpflichtungen (Loeb mischt erfolgreich an der Produktion von Marvels TV-Serien mit) verzögerten das Projekt gleich um mehrere Jahre. Erst im letzten Jahr konnten Sale und Loeb die aus sechs Teilen bestehende Miniserie abschließen. Tim Sales charakteristischer Zeichenstil, der stets einen hohen Wiedererkennungswert besitzt, ist hier überzogener und abstrakter als bei den vorhergehenden „Color Books“ – vielleicht auch eine Weiterentwicklung. Sein Strich scheint teilweise lockerer, überzeichneter, großformatiger und überlässt den oft düsteren und dezenten Farben viel Raum und Wirkung.
Autor Jeph Loeb lässt Sgt. Fury, Dum Dum Dugan und deren Howlers für humoristische Zwischentöne sorgen, indem sie das heldenhafte Superhelden-Gehabe immer wieder sarkastisch-ironisch kommentieren und damit auch entlarven. Auch andere Klischees werden nicht ausgespart. Neben den lockeren Marines mit kecken Sprüchen treffen wir natürlich auf dämlich verbohrte Nazis, eine feurige Zigeunerin, die Cap den Kopf verdreht, einen typischen Verräter und als kulminiertes Nazi-Klischee den Red Skull (warum ist der Name eigentlich Englisch?), der mit seinen Tiraden nahe an einer Parodie seiner selbst agiert und wie ein Überbleibsel aus den klassischen Comics der Vierziger anmutet, auf deren Cover Hitler von Cap persönlich verdroschen wurde. Vordergründig sieht man die Mission gegen Caps Erzfeind, die in ein gewohnt action-betontes Finale mündet. In der Tiefe behandelt die Story die Freundschaft zwischen Cap und Bucky, eine Art Vater-Sohn-Beziehung, in der sich Cap stets in der Verantwortung sieht, auf seinen Sidekick aufzupassen, der praktisch noch als Kind in den Krieg geschickt wird. Gewissensbisse inklusive. Noch gelingt es, heil durch das Abenteuer zu kommen, das bekannte Drama um Bucky wird aber bereits antizipiert. All dies verleiht dem Band einen hohen, dazu nostalgisch angehauchten Unterhaltungswert. Loeb und Sale beweisen einmal mehr ihre Klasse. Anlässlich des Erlanger Comic-Salons veröffentlichte Panini eine auf nur 333 Stück limitierte HC-Variante, die für 25 € erhältlich ist. (bw)
Captain America: White
Text: Jeph Loeb
Bilder: Tim Sale
140 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
16,99 Euro
ISBN: 978-3-95798-735-8