Spektakuläre Momente gibt es zuhauf im Leben des alten Spitzohrs, aber zu einer der aufsehenerregendsten Aktionen zählt zweifelsohne die Leserbefragung, ob ein gewisser Jason Todd das Zeitliche segnen soll oder nicht. Im Dezember 1988 entschieden sich die fanboys in einer denkbar knappen Telefonabstimmung dafür, den Daumen zu senken – und der damalige Robin starb unter den Händen des Jokers. Als launiger, amüsanter Frechdachs war er geplant gewesen, dieser Nachfolger des ersten Robin Dick Grayson, der erwachsen geworden war und als Nightwing durch die Gegend sprang. Das ging allerdings gehörig daneben, empfand die Leserschaft „Jay“ doch eher als nerviges Gör, das so gar nicht zu ihrem Lieblingshelden passte, der fast zeitgleich durch einen damals noch brillanten Frank Miller in The Dark Knight Returns (wo die Rolle des Sidekicks spannenderweise von einem Mädchen ausgefüllt wurde) in einer komplexen, faszinierenden Interpretation neu erstrahlte. Herausgeber Denny O’Neil entschied: der Junge muss weg, was dann ja auch medienwirksam geschah. Tim Drake übernahm, alles war wieder gut.
Dass allerdings kurz vorher mehr als nur lesenswerte Stories fabriziert wurden, in denen Batman und Jason Todd gegen allerlei klassische Halunken antraten, das beweist eindrucksvoll dieses umfassende Kompendium, das im Rahmen der Batman Collection als fünfter Band dem britischen Zeichner Alan Davis gewidmet ist und seine Beiträge zum Batsy-Universum präsentiert (den ersten Jim Aparo Band aus der Batman Collection besprechen wir HIER). Davis war 1985 bei DC angetreten, um die von Mike Barr geschriebene Serie Batman And The Outsiders zu zeichnen, und übernahm bereits ein Jahr später mit Barr das beste Pferd im Stall, Detective Comics. Der vorliegende Band beinhaltet alle sieben Ausgaben, für die das Gespann verantwortlich zeichnete (Dezember 1986 bis Juni 1987 – vorher zeichnete er u.a. Miracleman, nachher wechselte er zu Marvel) – da tummeln sich dann altbekannte Schurken wie Joker (der in der ersten Storyline Catwoman psychologisch so zusetzt, dass sie ihren Geliebten Batman sitzen lässt), Scarecrow (der mit einem Mir-Doch-Alles-Egal-Gas seine Opfer sämtliche Vorsicht vergessen lässt und damit auch Batman in Gefahr bringt), Mad Hatter (diverse Kollektionen am Start) und – richtig gelesen – Sherlock Holmes, Dr. Watson, Mary Watson und Dr. Moriarty (oder zumindest ihre Nachkommen), die für die 50-Jahre-Detective Comics-Jubelausgabe auf den Plan treten durften.
Dann schließlich durfte sich Davis an dem Sequel zu Batman: Year One versuchen, mit dem DC plante, an das zweite Meisterwerk anzuknüpfen, das Frank Miller ablieferte (Mann, der war wirklich mal gut). Dazu brachte er den von ihm erfundenen mörderischen Vigilanten Reaper ins Spiel, der Batman auf der Jagd nach dem Mörder seiner Eltern Joe Chill über den Weg läuft. Nach einem Zerwürfnis aufgrund „künstlerischer Differenzen“ übernahm allerdings ab Ausgabe zwei Todd McFarlane die Reihe Batman: Year Two, so dass wir hier nur den ersten Teil bestaunen können, an dessen Ende Bruce Wayne beschließt, eine ihm üblicherweise abholde Handfeuerwaffe einzusetzen. 1991 kehrte Davis nochmals zu dieser Konstellation zurück und lieferte mit der Graphic Novel Batman: Full Circle seine persönliche Schlussnote dazu, in der er teilweise auch ältere Storyelemente teilweise Panel für Panel aufgefrischt einbaute (wie auch das Cover der ebenso enthaltenen Detective Comics-Story „Jedem Anfang wohnt ein Ende inne“, in der Jason Todd dem Tode nahe kommt, deutliche Ähnlichkeiten zu A Death In The Family aufweist).
Auf mehr als 270 Seiten erleben wir hier somit das Abendrot des dynamischen Duos Bruce Wayne und Jason Todd, das Davis in seinem klassischen Stil inszeniert – gleichmäßige Panels. Batmans Kostüm ist in dem seit den 60ern bekannten grau-/blau gehalten, Joker und Mad Hatter bringen ihre Gadgets, und vor allem Catwoman stolziert noch in eben jenem langen (aber hoch geschlitzten!) Rock und Stiefeln umher, aufgrund derer ich mich in den 70ern so unsterblich in sie verliebte und heute noch bei Stiefelwerk aller Art weitgehend haltlos werde (danke an die Mode der letzten Jahre). Somit ist sowohl zeichnerisch als auch inhaltlich die Basis dessen geschaffen, gegen was Frank Miller in The Dark Knight bewusst einen Kontrapunkt setzte: Batmans antisoziale, psychopathische Seite, die Miller genüsslich ausbreitete, blitzt nur teilweise kurz auf, als er z.B. den Joker brutal zusammenschlägt, weil er ihm Catwoman genommen hat. Entsprechend zum Inhalt erscheint Davis‘ Stil realistisch-gepflegt, während Miller mit Stilisierung und Überzeichnung das verdrehte Innenleben seiner Antihelden nach außen kehrte. Somit bietet das dicke Kompendium nicht nur jede Menge spannenden Lesespaß, sondern auch einen Rückblick auf eben jenes Bat-Universum, das Miller für immer revolutionierte. Nicht umsonst geht Millers alter, verbitterter Dark Knight in seiner Höhle an einer Robin-Uniform vorbei und murmelt: „Never again. For Jason.“ Zumindest in dieser Parallel-Storywelt war die Freude am Heldsein für immer vorbei. (hb)
Batman Collection: Alan Davis
Text: Mike W. Barr
Bilder: Alan Davis
276 Seiten in Farbe
Panini Comics
Softcover: 24,99 Euro
Hardcover: 39 Euro
ISBN (SC): 978-3-86201-860-4