Marvel Klassiker: Fantastic Four (Panini)

September 18, 2015

Marvel Klassiker: Fantastic Four (Panini)

Dann mal sehen: Anti-Grav-Disruptor? Check. Metabolismus-Beschleuniger? Check. Konduktiv-Inverter? Check. Und ab ins Silver Age-Getümmel! Das besteht nämlich aus einer Auswahl der klassischsten unter der klassischen Fantastic Four (nennen wir sie lieber die Fantastischen Vier) Geschichten aus der Lee/Kirby-Ära. Und mit den paar Kleinigkeiten, die Reed Richards so nebenher nach Feierabend gebastelt hat, sind wir dafür bestens gerüstet. Los geht’s natürlich mit der Origin des Heldenteams (das ich stets eher als Heldenfamilie wahrnahm) und der ersten Begegnung mit Moleman. Danach folgt eine Story mit dem längst vergessenen Miracle Man –nein, nicht der aktuelle Ex-Marvelman, sondern ein Magier – in der die FV erstmals ihre Kostüme tragen. Auftritt Doktor Unheil (nennen wir ihn lieber Doctor Doom), der unsere Helden mittels Zeitmaschine zu Piraten werden lässt – ziemlich albern und kurios.

Nach dem denkwürdigen Annual Nr. 3 von 1965, in dem Reed und Sue heiraten – was aufgrund des Auftretens fast sämtlicher damaliger Marvel-Charaktere, ob gut oder böse, nicht minder albern und kurios ist, im positiven Sinne – folgt das Herzstück der Serie: die berühmte Galactus-Trilogie (intern nannten wir ihn später Beknacktus, aber das ist eine andere Geschichte…). Die Story um den Weltenverschlinger und seinen Herold, den Silver Surfer, beeindruckt noch heute und macht auch beim tausendsten Lesen immer noch Laune. „Dieser Mann… dieses Monster“, in dem ein neidischer Wissenschaftler die Identität des Dings annimmt, um sich am Ende zugunsten von Reed selbst zu opfern, ist bis heute die beste Einzelgeschichte in der langen der FV-Historie. Den Abschluss macht dann ein epochaler Vierteiler, in dem Erzfeind Doctor Doom die Kräfte des Surfers klaut und dennoch einmal mehr grandios scheitert.

Und jetzt sind wir erst bei der US-Nummer 60 angelangt! Anders als bei der Klassiker Best-of Ausgabe der Rächer (die ging immer hin bis zur Nr. 100) geht es hier komprimierter zu – Autor und Zeichner mussten sich ja auch ‚nur‘ um vier Helden kümmern. Und entsprechend enger gesät sind die Meilensteine. An denen läßt sich neben der Entwicklung des Teams auch die Reifung der Macher festmachen. Mussten sich die FV zu Beginn mit allerlei monströsem Geviech auseinandersetzen, wurden die Abenteuer später komplexer, vielschichtiger und erstreckten sich über mehrere Hefte, wobei Cliffhanger und Hinweise auf die neue, im nächsten Heft folgende Handlung stets die Neugier der Leser entfachten. Zum Serienstamm gehörten immer mehr Charaktere, ob die Inhumans oder Wyatt Wingfoot, oder die Schurkenriege, allen voran Doctor Doom. Zeichnerisch brachte sich Kirby auf die Höhe seiner Kunst, mit unnachahmlicher Dynamik, den schmalen Fesseln der Damen und zahllosen Kirby-Dots, von den fantasievollen bisweilen gigantischen Maschinen und Gerätschaften ganz zu schweigen (noch ein Beispiel gefällig? Wie wär’s mit dem Mesonen-Partikelbeschleuniger?).

Das limitierte Hardcover

Das limitierte Hardcover

Mit dem Start der Fantastic Four Ende 1961 begann mitten im Silver Age der US-Comics eine neue Ära: Superhelden wurden menschlich, entpuppten sich – außerhalb ihrer Kräfte – als Otto Normalverbraucher, die sich wie jeder andere auch mit persönlichen Problemen herumschlagen mussten. Meist wird mit diesen Motiven Spider-Man in Verbindung gebracht, dessen Privatleben als pubertierender Teenager einen großen Anteil der Storys ausmachte. Aber auch bei den Fantastischen Vieren im World’s Greatest Magazine köchelte es ständig untereinander: Reed Richards hatte nur seine Forschung im Kopf, seine Frau war für ihn im wahrsten Sinne unsichtbar. Jene fühlte sich entsprechend vernachlässigt, während sich das Ding ständig mit der Fackel kappelte, und umgekehrt. Sonnyboy Johnny musste sich an der High School mit aufgeblasenen Flash Thompson Lookalikes herumschlagen und Ben Grimm trug trotz seines nach außen vorgetragenene Humors, trotz Yancy Street und Tante Petunia, schwer an seinem versteinerten Aussehen. Selbst seine blinde Freundin Alicia Masters schien ihn zugunsten des Silver Surfers absägen zu wollen.

Herzstück des Bandes ist natürlich die berühmte Galactus-Trilogie (die eigentlich nur aus einem ganzen und zwei halben Heften besteht), die mit dem Silver Surfer einen heimlichen Star präsentierte, der als schillernde wie tragische Gestalt fortan das Marvel-Universum bevölkerte (lange sollte er ja aufgrund der kosmischen Barriere auf der Erde gefangen sein) und der gerade in seiner aktuellen Serie eine neue, überraschende Ausrichtung verpasst bekam. Ein Galactus, jenes gottgleiche, Welten verschlingende Wesen, das Menschen maximal als Insekten betrachtet, dessen ergebener Herold sich gegen ihn wendet, um eben jene zu retten (Stichwort Gefühle) – das war damals der Knaller und wurde zurecht zu DEM Klassiker der Reihe. Später ließ freilich die Anziehungskraft der Galactus-Figur nach, da sie durch zahlreiche Auftritte im Marvel Universum arg strapaziert wurde. Auch immer wieder gerne schmunzelnd gesehen: die Ausflüge in die Marvel-eigene Metaebene. So wird Stan Lee und Jack Kirby der Zugang zu Reed und Sues Hochzeit verweigert und Ben schaut sich Marvel-Serien im Fernsehen an.

Im Laufe ihrer langen Historie hatte die Serie natürlich auch weitere Höhen, man denke nur an den Run von John Byrne (der in der Reihe Marvel Exklusiv auch auf deutsch vorliegt) zu Beginn der 80er Jahre. Aber die Qualität und die Dynamik des Duos Lee/Kirby bleiben unerreicht. Wo Höhen sind, sind auch Tiefen nicht weit: die FV-Inkarnation im Rahmen des neuen Ultimativen Universums war schwach (ihr liegt der noch schwächere aktuelle Kinofilm zugrunde) und befremdliche Team-Auswüchse à la Future Foundation mit einer unübersichtlichen Schar an Mitgliedern (und weißen Kostümen!) waren zwar ganz nett, aber doch irgendwie des Guten zu viel. Spider-Man als Fackel-Ersatz? Dann lieber Klassik. Dann lieber Lee und Kirby. Für alle Frischlinge oder Quereinsteiger, die wissen wollen, wie es mit Marvels erstem Heldenteam anfing und sich entwickelte, ist der Band eine Goldgrube. Auch alle, die vom Film enttäuscht waren, sollten hier einen neuen Zugang versuchen. Der Band erscheint bei Panini wie immer bei solchen Juwelen auch als limitierte Hardcover-Version für Sammler mit einer Mini-Auflage von nur 222 Stück und einem Preis von 39 €. So, und jetzt schnappen wir uns Reeds sub-atronischen Temporaltransmitter und räumen damit den Schreibtisch auf. ‘nuff said. (bw)

Marvel Klassiker: Fantastic Four
Text: Stan Lee, Kack Kirby
Bilder: Jack Kirby, Joe Sinnott, Vince Colletta
276 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
24,99 Euro

ISBN: 978-3-95798-413-5

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