Deadpool Max, Band 1 (Panini)

Oktober 18, 2017

Deadpool Unlimited! So könnte man diese furiose Sammlung auch bezeichnen, in der David Lapham so richtig genüsslich vom Leder ziehen kann. Denn diese Miniserie, die schon 2010 das Licht der Welt erblickte, steht im Rahmen des eigenen Unterlabels Marvel MAX, in dem sich das Haus der Wunder seit 2001 marketingwirksam explizit an ältere Leserschichten richtet. Mit einer „Empfehlung ab 18“ können wir dann ungezügelt Ausritte von Rabauken wie dem Punisher, Luke Cage oder eben Deadpool genießen, in denen sich die Autoren wie Garth Ennis und Freunde keinen Zwang antun müssen. Lapham nutzt seine Freiheiten hier für eine wilde Achterbahnfahrt durch ein leicht alternatives Deadpool-Universum: der Agent Bob (in den eigentlichen Pool-Stories ein ex-Hydra-Mann) agiert hier als sein „Betreuer“, der für eine finstere Organisation arbeitet und den geistig vollkommen verwirrten Selbstheiler mit der großen Klappe in jedwede gefährliche Situation hetzt.

Los geht’s mit der Jagd auf den Oberschurken Hammerhead, dessen Organisation Bob nur durch Liebesdienste für Hammerheads Schergen Bruno infiltrieren kann. Danach landet Wade Wilson in der Klapse, genauer gesagt in den Händen der vermeintlichen Psychologin Inez, die sich allerdings bald als eine noch viel durchgeknalltere Insassin der Anstalt herausstellt, die für den Leiter Dr. Lipper arme Opfer herankarrt, die dann um die Ecke gebracht und dem Organhandel zugeführt werden. Diese üble Bande scheint allerdings im Vergleich noch wie fromme Chorknaben gegen Baron Zemo, der als neofaschistischer Anführer der Ansiedlung Whiteland einen unverhohlen rassistischen Nazikurs verfolgt und dabei auch nicht davor zurückschreckt, seine eigenen Anhänger für seine verstörenden Visionen zu opfern – wogegen Mr. Wilson natürlich etwas einzuwenden hat. Aus der Zukunft kommt ihm schließlich ein gewisser Cable entgegen, der ihm eröffnet, irgendwann in späteren Jahren sein Partner zu sein, und inständig drängt, den Kinderhändler Sauza doch bitte nicht dingfest zu machen, weil das zu noch viel größeren Verwerfungen führen würde. Das ist Wade allerdings schnuppe, der schließlich noch auf seine Ziehmutter Taskmaster und Domino trifft, die sich als alte Flamme Inez entpuppt…

Auch bereits zu haben: Band 2

Wild, fast wie im Fieberwahn rast Lapham durch diese Zerstörungsorgien, in denen erwartungsgemäß Gewalt und Erotik in durchaus expliziter Form zum Tragen kommen: da fliegen Köpfe durch die Luft, Deadpool hackt sich durch seine Gegner, und die holde Weiblichkeit ist nicht zimperlich, zu ihrem Recht zu kommen. Aber auch jenseits dieser offenkundigen Ab 18-Faktoren geht Lapham in die Vollen, vor allem bei den „Fällen“, die Bob und Deadpool von rücksichtslosen Mafia-Bossen über Kinderhändler bis hin zu Neonazis führen. Vor allem die Zemo-Episode mit ihrer Skizzierung eines in der „glorreichen“ Vergangenheit lebenden Faschisten, der Memorabilia aus Buchenwald sammelt, wirkt beklemmend. Wenn auch das für Deadpool typische Spiel mit dem Medium (Ansprache des Publikums, so kennen wir das) fehlt, bringt Lapham dennoch als Gegengewicht allerdings genau hier auch einen düster-satirischen Zug ins Spiel, wenn Deadpool eben jenem abgründigen Zemo und seinen Vasallen in der Verkleidung als Milchmann Tevje entgegentritt, dem zutiefst jüdischen Traditionsmenschen, der gerne einmal „Wenn ich einmal reich wär‘“ trällert und standfest behauptet, Zemo wäre sein Bruder und definitiv nicht von „reiner weißer Rasse“.

Ernsthafter geht es dagegen dann wieder in den Flashbacks zu, in denen sich Wade Wilson schlaglichthaft an seine Kindheit erinnert, deren Dissoziation er im Verlauf langsam überwindet: als Kind von seinen Eltern vernachlässigt und geschunden, geriet er in die Fänge der sadistischen Mörderin Taskmaster, die in diesem Universum die Rolle des Weapon X-Programms spielt. Somit ein nicht nur anarchisch-spaßiger, sondern auch verstörender parforce-Ritt, den Vielillustrator Kyle Baker (der eben Comics und Drehbüchern auch für Cartoons wie Phineas & Ferb oder Looney Tunes arbeitet und dafür bereits diverse Preise, darunter Eisner und Harvey-Awards, abstaubte) passend stilisiert, oft mit collagenhafter Technik kongenial inszeniert. Diese volle Breitseite Pool-Action bringt in Neuauflage auf über 140 Seiten die ersten sechs Hefte der Deadpool-MAX-Serie, die erstmals von Dezember 2010 bis Mai 2011 (und auch 2011 bereits schon einmal bei Panini) erschienen. Auch Band 2 („Lang lebe Hydra“) ist inzwischen bereits erhältlich. (hb)

Deadpool Max, Band 1: List und Hiebe
Text: David Lapham
Bilder: Kyle Baker
148 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
14,99 Euro

ISBN: 978-3-7416-0425-6

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