Fehlanzeige. Kaum will man mal genüsslich im Strip-Club chillen, da holt einen sein Job wieder ein. So ergeht es Luke Cage, seines Zeichens Powerman und Mietheld – Hero for Hire. Eine Mutter sucht ihn in jener Örtlichkeit auf und bittet ihn, gegen Zahlung der letzten Kohle, die sie noch hat, den Mörder ihrer Tochter zu suchen. Die kleine Hope wurde mit gerade mal 13 Jahren auf der Straße von einem Querschläger getötet, als sie zufällig in eine Auseinandersetzung zwischen zwei Gangs geriet. Und der Polizei ist eine tote junge Schwarze sowieso egal. Luke hört auf sein Gewissen und ermittelt. Einen Tag lang. Denkt er. Sofort fällt ihm im besagten Viertel die Gangdichte auf. Da sind einmal die angestammten Basket-Jungs, bei denen sich Cage gleich mal Respekt verschafft. Gleich um die Ecke haben sich Tombstone Lonnies Leute eingenistet, schwarze Gangster im feinen Zwirn. Und direkt gegenüber findet sich eine neue Pizzeria in der – natürlich – Mafiapate Sonny Caputo seine Spaghetti ißt. So stellt sich Cage die Preisfrage: was treibt all diese finsteren Gesellen in ein heruntergekommenes Viertel wie dieses? Was ist hier zu holen? Um das zu klären und nebenher Hopes Mörder zu finden, lässt er sich von den verschiedenen Gruppen engagieren und spielt diese nach und nach gegeneinander aus. Bis diese langsam Lunte riechen…
Die Figur des Luke Cage, alias Powerman, tauchte erstmals 1972 im Zuge des Blaxploitation-Booms im Marvel Universum auf. Und das gleich in einer eigenen Comic-Serie. Als Hero for Hire, als Mietheld, in einem damals vielleicht zeitgemäßem, aber aus heutiger Sicht doch recht albernen gelben Kostüm, der seine Kräfte und Fähigkeiten (superstark und kugelsicher) während eines Experiments bekam, bestand er gemeinsam mit seinem Kung-Fu Kumpel Iron Fist diverse Abenteuer über beachtliche 125 Hefte, ehe dann 1986 endgültig Schluss war. Danach gab es immer wieder eigene Serien-Versuche und Cage trat regelmäßig in den unterschiedlichsten Marvel-Titel auf, wie „Alias“ (d.i. Jessica Jones) und natürlich Daredevil. Insofern decken sich die Comic-Historie und das Umfeld Cages mit dem der Marvel TV-Serien und folgerichtig tauchte Luke Cage als Barbesitzer erstmals in „Jessica Jones“ auf der Mattscheibe auf. Jetzt hat er seine eigene Netflix-Serie, womit Marvel nach „Jessica Jones“ einen weiteren Charakter aus der zweiten Reihe ins Rampenlicht holt, der zwar zum Marvel Cinematic Universe gehört, der sich aber bestens in den Helden-Mikrokosmos, der in Hell‘s Kitchen entstanden ist und dem Daredevil (bisher zwei großartige Staffeln) voransteht, einfügt.
Im Gegensatz zu Frau Jones, die bei uns ihren Comic lange nach Veröffentlichung der Serie nachgeschoben bekam, erscheint dieser Band pünktlich mit dem Start der Luke Cage-Serie. Aber Achtung – es handelt sich dabei mitnichten um eine Neuveröffentlichung, wie das Cover, das optisch an den TV-Cage erinnert, vermuten lässt, sondern um eine Wiederveröffentlichung der Azzarello/Corben Miniserie, die bereits 2003 bei Panini erschien, als erster Band der Reihe 100 % Marvel. Und die sich inhaltlich damit auch nicht mit der TV-Reihe deckt. Brian Azzarello legt seinen Cage als Checker vor dem Herrn an, als einsamen Wolf, mit cooler Sonnenbrille und XL-Kopfhörer bestückt, der wortkarg, aber zielsicher Ärger sucht, immer stoisch und mit einer gehörigen Portion Bauernschläue ausgestattet. Cage riecht gleich, dass er hier nur an der Oberfläche kratzt, aber um mehr zu erfahren, muss er in die Vollen gehen, auch wenn er dabei gehörig selbst was abbekommt. Altmeister Richard Corben verleiht mit seinem einzigartigen, charakteristischem Stil, der auch dem US-Underground Tribut zollt, den Locations und dem Geschehen eine trostlose Note. Wie immer zeichnet er direkt und schonungslos. Dreckig, wie passend. Auch als Zweitverwertung besteht der Band, der die komplette Miniserie von 2002 beinhaltet und ist – unabhängig vom TV-Cage – lesens- und sehenswert. Für Sammler gibt es wieder eine auf 222 Stück limitierte Hardcover-Edition (diesmal auch mit Corben-Cover), die für 25 € zu haben ist. (bw)
Luke Cage – Ein Mann räumt auf
Text: Brian Azzarello
Bilder: Richard Corben
132 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
14,99 Euro
ISBN: 978-3-95798-866-9