Brian Epstein war Manager der Beatles, der fünfte Beatle, wie ihn Paul McCartney Jahrzehnte später nannte. Die Graphic Novel ist ein schillerndes Portrait des legendären ‚Machers‘, der die Band formte, in seriöse Bahnen lenkte und sie so binnen kurzer Zeit zu internationalem Ruhm brachte. Und der schon früh im Alter von knapp 33 Jahren starb. Die Story setzt ein, als die noch unbekannten Beatles im Liverpooler Cavern Club spielen. Dort sieht sie Brian Epstein, dessen Vater eine Schallplattenladenkette betreibt. Epstein ist sofort von der jungen Band angetan, überzeugt die Musiker durch pure Begeisterung, ihn, den gänzlich Unerfahrenen, als Manager zu engagieren. Beinahe sofort trägt die Zusammenarbeit Früchte. Die Beatles erobern dank des klugen und vorausschauenden Taktierens Epsteins zuerst England, dann Europa und schließlich Amerika. Epstein stirbt am 27. August 1967, kurz nach Veröffentlichung des Albums Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band.
Die Beatles sind eigentlich nur Randfiguren in der Geschichte, mehr oder weniger Statisten, die stets fröhlich lächelnd vertrauensvoll die Entscheidungen Epsteins abnicken und sich scheinbar mühelos von dessen Plänen überzeugen lassen. Das mag etwas irritieren, aber schließlich geht es um Epstein, nicht um die Fab Four. Über den ist gar nicht so viel bekannt. Er war ganz offenbar ein Visionär, Energie geladen, er konnte die Menschen lesen, wusste zu begeistern und erkannte genau, wo er den Hebel zum Ruhm ansetzen musste. Er erkannte schon früh die Bedeutung des Merchandising (Stichwort Beatles-Puppen). Er suchte stets das Gute im Menschen, suchte die Liebe, die er selten fand. So wird gleich auf den ersten Seiten Epsteins Homosexualität thematisiert. Die war im England der Sechziger unter Strafe gestellt und fand im Verborgenen statt, worunter Epstein sehr litt. Er nahm auch deshalb Medikamente (!) und wurde Tabletten süchtig.
Nicht alles, was im Band passiert, ist belegt, wurde vielmehr absichtlich verändert, verfremdet oder anders interpretiert. Die Freiheit der Autoren. So ist Moxie, seine Rechte Hand von Beginn an, eine fiktive Figur (obschon es eine Assistentin anderen Namens gab). Dann wird Epsteins Tablettensucht in etlichen Panels gezeigt, sein späterer Drogenkonsum dagegen komplett ausgeblendet. Das gemeinsame, gruselige Essen mit dem Elvis Manager Colonel Parker zeigt die unterschiedlichen Ansichten der beiden Top-Manager. Auf der (sprichwörtlich) einen Seite der Gutmensch, der trotzdem sein Geld macht, auf der anderen der Geldhai (inkl. passender Zähne), der in seinem Schützling Elvis lediglich eine Geldkuh sieht, die es zu melken gilt.
Comictechnisch ist der Band wunderbar umgesetzt mit den Stilmitteln, die es nur in diesem Medium gibt und die mutig angewandt sind. So wird die Ermordung Kennedys thematisiert, in fast komplett schwarzen Doppelseiten, ganz spärlich, nur mit dessen Kopf und Soundwords. Oder das TV-Interview mit Epstein. Jedes Panel ist ein Monitor, stakkato-artig angeordnet, was u.a. an die TV-Berichterstattung in Frank Millers Dark Knight erinnert. Die dramatisch skurrile Episode auf den Philippinen (anläßlich eines Konzerts verweigerten die Beatles den Besuch im Präsidentenpalast und wurden anschließend schikaniert. Epstein musste die Gage wieder abgeben) ist völlig gegensätzlich im Funny-Stil gehalten und so komisch überzeichnet. Und der tragische, stilisierte Schluß: Epstein im Krankenbett, von Erschöpfung und Medikamentenmißbrauch gezeichnet. Er hat Visionen, trifft darin noch einmal seine Mitstreiter. Realität und Fiktion vermischen sich. Das alles in einem gänzlich weißen, sterilen Raum, der angenehm an den letzten Akt von Kubricks 2001: Odyssee im Weltall erinnert. Die Zeichnungen stellen also glücklicherweise keine Aneinanderreihung von bereits bekannten Fotos oder TV-Bildern dar. Insofern machen Autor und Zeichner ihr eigenes Ding. Das ist sehr gut, lässt sich doch bestens das Herzblut erkennen, mit dem die Truppe bei der Sache war.
Die Zeichner sind alte Hasen im Geschäft. Von Andrew Robinson erschien bei uns beispielsweise Genosse Superman (DC Premium 29) und Jack of Fables. Kyle Baker wurde u.a. durch Bensons Labyrinth und The Shadow bekannt. Aber für Autor Vivek J. Tiwary, eigentlich Broadway-Produzent und lebenslanger Fan der Beatles und Brian Epstein, ist es die erste Graphic Novel. Und die ist so erfolgreich, dass gerade die Filmadaption vorbereitet wird. Der ausführliche Anhang glänzt mit zahlreichen Bleistift-Skizzen und Entwürfen zu den Charakteren. Dazu einige Abbildungen von seltenen Beatles/Epstein Devotionalien, alles ausführlich beschrieben und erläutert.
Auch mit diesem großformatigen Band baut Panini sein Graphic Novel Angebot (das auch auf Deutsche Künstler setzt) weiter aus und zeigt erneut, dass der Verlag mehr als Superhelden kann. Ein großartiger Band, nicht nur für Fans, in hochwertiger Aufmachung zum angemessenen Preis. (bw)
Der fünfte Beatle – Die Brian Epstein Story
Text: Vivek J. Tiwary
Bilder: Andrew Robinson, Kyle Baker
172 Seiten in Farbe, Hardcover
Panini Comics
24,99 Euro
ISBN: 978-3-86201-786-7