Thor: Ragnarök (Panini)

November 21, 2017

Einiges liegt im Argen im einst strahlenden Asgard: Odin ist im Kampf gegen der Feuerdämon Surtur gefallen, Fürst Thor regiert nicht gerade rücksichtsvoll. Mit seiner Frau Enchantress (nebst Sohnemann Magni) geht er recht ruppig mit seinen Feinden um, aber sein Sohn redet ihm ins Gewissen, und dank Mjolnir kann Thor so einige Fehltritte der Vergangenheit ausbügeln. Aber auch er ist nicht vor der Rachsucht seines Bruders gefeit: Loki sinnt immer brennender auf Rache und auf den Thron von Asgard. Er braucht dazu nur eine Waffe, die Thors Hammer ebenbürtig ist – und als der Meisterschmied der Zwerge, Eitri, das Sonnenherz, aus dem er einst Mjolnir schmiedete, in Sicherheit bringen will, schlägt Lokis Stunde: die Sonnenmasse entgleitet den Zwergen bei Ymir Krul und tötet sie. Surtur, der Feuerdämon, kehrt zurück und fertigt für Loki und seine Spießgesellen magische Waffen aus dem Sonnenherz.

Während der Trauerfeier für die Zwerge, an der Thor und seine Gefährten teilnehmen, schlägt Loki zu: auf Naglfar, dem Totenschiff, überwindet er die Dimensionen und überfällt er die Asen gemeinsam mit dem Troll Ulik, einem Riesen und Lokis Sohn, dem Fenriswolf. Beim ersten Angriff fällt Enchantress, und Lady Sif wird schwer verletzt. Rasend setzt Thor seinen Hammer gegen die Waffen der Angreifer – und Mjolnir zerbricht unter der Macht. Loki fegt den besiegten Thor hinweg, in den Rachen der Midgardschlange, aber im letzten Moment besinnt sich der geschlagene Donnergott seiner Freunde und ruft die Avengers Iron Man und Captain America zu Hilfe. Gemeinsam wandern sie nach Asgard und finden dort nur Tod und Ödnis: Loki, der Fenriswolf und die Trolle haben fast alle Asen ermordet. Zwar können die Helden mit vereinter Kraft einen weiteren Angriff Lokis abwehren, aber in Asgard, beim Begräbnis seines alten Freundes Balder, muss Thor sich die Wahrheit eingestehen: ihm bleibt nur noch, Rache zu üben für die Gefallenen, wobei ihm die menschlichen Freunde nicht helfen können. Denn die Wiedergeburt Surturs, die Befreiung des Fenriswolfs und der Tod Balders bedeutet nur eines: Ragnarök, der letzte Kampf der Götter gegen die Riesen, naht…

Was im Kino derzeit nach wie vor unter dem etwas verfehlten deutschen Titel „Thor: Tag der Entscheidung“ (besser wäre gewesen „Das Ende aller Tage“, nur so als Vorschlag) läuft, die wahre Götterdämmerung, schlicht das Armageddon, das durchlebte der Donnergott in dieser Storyline bereits 2004. Das Grundkonzept von Ragnarök führte schon Walt Simonson in seinem zurecht gefeierten Run Mitte der 80er in die Serie ein, aber es fiel dem damaligen Thor-Team Michael Avon Oeming und Daniel Berman zu, diesen Aspekt der nordischen Mythologie en detail auszubreiten (dass nebenbei auch noch ein Cyborg-Klon von Thor aus der Feder von Mark Millar diesen Namen trägt, das lassen wir mal elegant außen vor, Klone und Marvel, das ist eine weniger glückhafte Verbindung). Oeming und Berman hatten dafür zweifelsohne den richtigen Background, stellt die nordische Mythologie doch ein Spezialgebiet für beide dar, mit dem man sich in zahlreichen Projekten bereits befasste, unter anderem auch in der Miniserie „Stormbreaker“ um den wunderbaren Beta Ray Bill, der sich auch hier die Ehre gibt.

Kaum verwunderlich also, dass Oeming und Berman hier der nordischen Sagenwelt durchaus getreulich folgen, der zufolge Surtur die Erde verbrennt, die dann von der Midgardschlange überschwemmt wird. Die Wölfe Hati und Skoll verschlingen den Mond und die Sonne, wodurch der listige Loki und sein Sohnemann, der Fenriswolf, aus der Dunkelheit befreit werden und Rache an den Asen üben können (ganz nebenbei erfahren wir dabei, wo sich ungefähr alle skandinavischen Black Metal Wüteriche ihre Namen entlehnt haben: Fenris, Naglfar, Surtur, der Reigen scheint unerschöpflich). Um das zu verhindern, stürzt sich Thor in dieser Version in die Prüfungen Odins, die einst schon sein Vater bestehen musste. Oeming und Berman schreckt dabei nicht davor zurück, alle liebgewonnenen Gefährten von Thors Seite zu reißen, die Stan Lee und Jack Kirby ihrem Helden nach und nach mitgaben: nicht nur Balder und Lady Sif bleiben auf der Strecke, auch die Kumpane Hogun, Fandral und Amora fallen, nur ein ausgemergelter Volstagg bleibt von Thors ehemaliger schlagkräftiger Runde.

Auch insgesamt durchzieht das Geschehen ein tragischer, elegischer Ton, ein Abgesang auf eine Welt und eine Ära, in der der Kurzauftritt der Avengers eher ein störendes Element bildet. Wie ein Heldenlied entwickelt sich das Geschehen, ein Epos voll Verlust, Reue und Trauer, das Andrea di Vito in bewusst künstlerischem Ton realisiert: kein Superhelden-Stil, sondern eher malerisch, wie Illustrationen einer Saga, so kommt das Geschehen daher, oft mit kunstvollen Verzierung, immer mit einer dramatischen, fein abgestuften Farbgebung. Anfangs nur auf vier Ausgaben ausgelegt, geriet die Serie zu einem durchschlagenden Erfolg, so dass man sich schließlich auf insgesamt sechs Nummern ausbreiten konnte, die erstmals als US-Thor 80-85 von August bis Dezember 2004 erschienen. Als eine nachdenkliche, furios zu lesende Quelle für das aktuelle, krachig-bunte Filmabenteuer (als weitere Inspiration darf hier noch „Planet Hulk“ genannt sein, wo der grüne Riese sich als Gladiator verdingt) kommt diese Neuauflage mit mehr als 150 Seiten gerade rechtzeitig auch wieder in die deutschen Regale, wahlweise auch als limitierte Hardcover-Version. So sei es! (hb)

Thor: Ragnarök
Text: Michael Avon Oeming
Bilder: Daniel Berman, Andrea DiVito
156 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
16,99 Euro

ISBN: 978-3-74160-411-9

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