Spätestens seit man sich auf der großen Leinwand auch durchs Smaugs Einöde pirschen kann, haben Herr Tolkien und seine Fabelwesen wieder Hochkonjunktur – allen voran die Zwerge, mit denen sich Bilbo Beutlin auf gefährliche Wege begibt. Diesem Völkchen, das im Hobbit durchgängig und im Herrn der Ringe jedenfalls noch prominent vertreten ist, widmet sich der deutsche Fantasy- und Thriller-Autor Markus Heitz schon seit geraumer Zeit: sein Roman Die Zwerge ist das, was man in der Finanz- und Autowelt gerne mal als Derivat, also als Ableitung bezeichnet. Er rückt ganz bewusst Nebenfiguren aus Tolkiens Reich ins Rampenlicht und erzählt hier die Geschichte von Tungdil, einem „Kurzen“, der als Findelkind beim Magier Lot-Ionan unter „Überirdischen“ (also Menschen) aufwächst und von seinem Meister – scheinbar als Erziehungsmaßnahme – auf eine weite Wanderschaft geschickt wird.
Aber Lot-Ionan verfolgt einen ganz anderen Zweck: Denn das Zwergenreich, das „Geborgene Land“, ist bedroht vom toten Land, das sich unaufhaltsam ausbreitet – dicht gefolgt von Albae und den gräuslichen Orks, den absoluten Todfeinden der Zwerge (und auch nicht gerade besten Kumpels der Menschen). Um die Einheit der fünf Stämme zu bewahren, behauptet der greise Zwergengroßkönig Gundrabur, Tungdil sei ein verschollener Königssohn, der sich auf die gefährlichen Reise zurück gemacht habe – und flugs sieht sich der nicht mehr als einfacher Schmied, der etwas erledigen soll, sondern als Kämpfer für Wahrheit, Gerechtigkeit und den amerikanischen, nein zwergischen Weg.
Autor Yann Krehl (erfahrener Roman-Adapteur, u.a. Frostfeuer, Wolkenvolk) und Che Rossié (der mit den Zwergen debütiert!) setzen die Vorlage wahrhaft trefflich um – die Story ist flott ausgebreitet, trotz aller Komplexität mit unterschiedlichen Volksstämmen, Motivationen und mythischem Hintergrund immer zu durchschauen, wobei Vorkenntnisse aus dem Tolkien-Universum zwar nützlich, aber nicht unabdingbar sind. Rossié produziert lebendige, teilweise großformatige Tableaus, die den Geist der Fantasy-Reiche atmen, ohne von den mittlerweile stilprägenden Filmwerken Peter Jacksons abzukupfern. So entsteht eine stimmige, eigene Welt, bei der man gerne wissen möchte, wie es Tungdil auf seinen Reisen weiter ergeht. Band 2 ist in Vorbereitung. (hb)
Die Zwerge, Band 1: Tungdil (Splitter)
Text: Yann Krehl, nach dem Roman von Markus Heitz
Bilder: Che Rossié
48 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
13,80 Euro
ISBN: 978-3-86869-541-0
