Code Pru (Dantes Verlag)

Oktober 7, 2020
Cinema Purgatorio: Code Pru (Dantes Verlag)

Prudence Slapweather ist Notfallsanitäterin. Gemeinsam mit ihrem Partner Eric Astrachan rückt sie immer dann an, wenn unbescholtene Bürger in Not geraten. Für die überzeugte Nicht-Esoterikerin, die sich im Freundeskreis mit nervigen Möchtegern-Hobby-Hexen herumärgern muss, nimmt das Ganze allerdings zunehmend abstruse Formen an. Los geht’s mit einem verwirrten Herren, der im Sonnenlicht in Flammen aufgeht und den Eric schon zur Genüge als William, den suizidgefährdeten Vampir, kennt. Dazu gesellen sich relativ schnell der aus Leichenteilen zusammengeflickte Francis, der in Shelley’s Pizzeria nur in Ruhe essen will, diverse lovecraftsche Ekelviecher, eine durchaus sprachgewandte Mumie, die sich glücklos als Beziehungsanbahner versucht, ein mechanischer Killer aus der Zukunft im Schottenrock, der eine Miss Connor sucht, die buchstäblich männermordende Lilith, eine ganze Horde von herumschlurfenden Untoten, die man in ein Kellergewölbe sperrt, Werwölfe, Dinger aus anderen Welten – der Reigen scheint schier endlos.

Pru, so lautet ihr Code-Name im Notruf-Jargon, kommt langsam nicht mehr umhin zu akzeptieren, dass es jede Menge „paranormaler Amerikaner“ gibt, deren Existenz vor der gewöhnlichen Bevölkerung tunlichst verborgen werden soll. Zentral bei diesem Vorhaben ist der Krankenhauschef Jon Squidpump, der in den finsteren Gewölben einen der uralten Götter eingesperrt hat, der ihm gerne mal einflüstert, was denn nun zu tun ist. Neben dem eher hilfsbereiten Eric stehen daneben noch „New York’s Finest“ – teilweise moralisch einwandfrei und sogar boyfriend material, wie der von der Mumie empfohlene Salvatore Montagnani, bis hin zum etatmäßig reaktionär-rassistischen Riordan, der das ganze Monster-Kroppzeug auf den Tod nicht ausstehen kann. Richtig schräg wird es allerdings, als ein fieser Dämon der guten Pru flüstert, dass ihre Adoptiveltern, die nonkonformistischen Goths Annabelle und Alabaster, gar nicht bei einem Unfall umgekommen, sondern noch am Leben sind…

Alan Moores Cinema Purgatorio: unter dieser Flagge erschien eine Comic-Anthologie, in der der britische Virtuose Moore ein buntes Potpourri von Gastbeiträgen anrührte, darunter auch die von The Boys-Schöpfer Garth Ennis erdachte Figur der zynischen Sanitäterin Pru, die auf der Flucht vor ihrer Vergangenheit ganz gewaltig mit der von ihr so zutiefst abgelehnten übernatürlichen Seite des Lebens konfrontiert wird. Ennis dreht dabei in kurzen Episoden so ungefähr alle Figuren des klassischen und nicht so ganz klassischen Horror-Kinos durch den Fleischwolf: nicht nur die altehrwürdigen Universal-Protagonisten Vampir (selbstmordgefährdet), Frankensteins Monster (will Pizza), Werwolf (leichtsinnig) und Mumie (selbsterklärter Homie des guten Sal mit brüllend komischer, gestelzter Sprache im Stile des guten Imhotep) treten auf, sondern auch moderne Mythen wie der Terminator (brillant die Idee, dass ein heruntergekommener Schotte einen gewissen Connor sucht), das gestaltwandlerische Ding aus einer anderen Welt (in der treffend „Who Goes There?“ betitelten Episode, benannt nach der Original-Short-Story von John W. Campbell), die gezüchteten Dinos aus dem Jurassic Park oder auch die mittlerweile nicht mehr so allgegenwärtigen Zombies (die hier allerdings so doof sind, dass sie nicht mal wissen, was mit ihnen geschieht – das Hirn verrottet schließlich auch).

Als Bindeglied all der kurzen satirischen Episoden, die die klassischen Horrorfiguren ebenso auf die Schippe nehmen wie die Bindungslosigkeit der modernen Gesellschaft, entwickelt Garth Ennis fortlaufend die Geschichte der Pru, die immer mehr begreift, was um sie herum vorgeht, immer dringlicher wissen möchte, was mit ihren Adoptiveltern wirklich geschah (die Story, dass sie von einer gigantischen Skulptur namens „Snikt“ geköpft wurden, stimmt wohl kaum – trotzdem lässt Wolverine nebst Adamantium-Klauen hier grüßen), und die in der Freundschaft mit Eric und der Liebschaft mit Sal ihr Heil sucht. Raulo Cáceres (den wir schon von den ebenso furiosen Abenteuern des Captain Swing kennen) inszeniert die Episoden in atmosphärischem Schwarz-Weiß, mit wirkungsvollem Strich und eindrucksvollen Tusche-Effekten. In typisch Ennis-mäßiger, subversiver Stimmung ergibt sich so ein fulminanter Reigen für Freunde des klassischen Horror-Kinos – nicht nur die, die das Ganze wirklich noch im Kino erleben konnten. Und eine Geschichte, die schon „From Beyond“ heißt, kann nur gut sein, dass wissen wir aus diversen epischen Video-Nächten. Wieder ein Prunkstück aus dem schier unerschöpflichen Fundus des Abseitigen, das uns Josch in seinem Dantes Verlag gekonnt serviert. (hb)

Cinema Purgatorio: Code Pru
Text: Garth Ennis
Bilder: Raulo Cáceres
248 Seiten in Schwarz-Weiß, Hardcover
Dantes Verlag
29 Euro

ISBN: 978-3-946952-56-5

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