Gerade haben die FBI-Agenten McGregor und seine Partnerin Agent Shaw einen traumatischen Fall um einen Kindermörder abgeschlossen – mit einem unbefriedigenden Ende. Die beiden sind noch in der Verarbeitungsphase – so plagen Shaw jede Nacht heftige Alpträume. Als ihre Kollegen Goss und Hunzikker bei der Routine-Untersuchung eines Lagerhauses verschwinden, werden McGregor und Shaw mit der Suche beauftragt. Die natürlich in der besagten Örtlichkeit beginnt. Keine gute Idee, wie sich herausstellt. Denn selbst das zuvor eingesetzte SWAT-Team hat das Gebäude fluchtartig und in Todesangst wieder verlassen. In dem finsteren Lagerhaus, durch das sich diverse Gänge ziehen, scheinen die Naturgesetze außer Kraft gesetzt. Es erscheint riesig, der Ausgang ist nicht mehr zu finden. Dann entdecken McGregor und Shaw, dass sie keinen Puls mehr haben. Und sie finden ihren Kollegen Hunzikker, der auf dem Boden kniend sich immer wieder in den Kopf schießt – als schreckliche Endlosschleife. Bald befürchten McGregor und Shaw, dass dieser unerklärliche Alptraum etwas mit dem Kindermörder zu tun haben kann. Denn Shaw hat diesbezüglich massiv Dreck am Stecken…
Ein finsteres Gebäude, in dem unerklärliche und unnatürliche Dinge geschehen, die offenbar dem Tod trotzen und ein Serienkiller, ein aalglatter Psychopath, der Kinder entführt und ermordet, sind die Zutaten zu Garth Ennis‘ Zweiteiler „A Walk through Hell“. Während das Spukhaus ganz Genre-untypisch nicht verwinkelt, sondern von geraden, scheinbar endlosen Gängen durchzogen ist und dennoch aufgrund der unheimlichen und auch drastischen Geschehnisse den beabsichtigen Grusel verbreitet, sind die Rückblenden, die den Fall des Serienkillers schildern, für die Thriller-Elemente zuständig. Ganz wie seine berühmten Kollegen von der „Klasse“ eines Hannibal Lecter ist der mutmaßliche Mörder Carnahan nicht fassbar, nicht angreifbar. Offenbar redegewandt und intelligent scheint er auch nach seiner Festnahme einen Masterplan zu verfolgen, der alle Eventualitäten mit einschließt. Kann es wirklich sein, dass er als Drahtzieher hinter den Vorgängen im Lagerhaus steckt? Besitzt er derart dämonische Qualitäten? Kann er die Macht, die er über seine wechselnden Komplizen hatte, auch auf Shaw und McGregor anwenden?
Was hier real ist und was nicht, wissen wir noch nicht. Gibt es überhaupt eine Verbindung zwischen den beiden Geschichten oder ist der Höllentrip nur ein Mindfuck in den Köpfen der beiden Agenten? Wie Star-Autor Garth Ennis, dessen abseitige, charakteristische Fantasie immer wieder aufblitzt, dies auflöst – oder ob er das überhaupt tut – ist die spannende Frage, die wir uns bis zum Erscheinen des zweiten und letzten Bandes stellen müssen. Ähnlich wie Jeff Lemire in seinem kürzlich bei uns erschienenen Horror-Titel „Gideon Falls“ arbeitet Ennis mit zwei Zeitebenen, die jeweils miteinander in Verbindung zu stehen scheinen. Während Lemire und sein Zeichner Andrea Sorrentino dies optisch auch gerne in intelligenten Verknüpfungen und Übergängen andeuten, bleibt „A Walk through Hell“ mit seinen realistischen und soliden Zeichnungen von Goran Sudzuka (u.a. Y-The last Man, Ghosted) da eher gradlinig. Die Rückblenden mit ihrem Thriller-Charakter decken nach und nach den traumatischen und tragischen Fall der beiden FBI-Agenten auf. Die Verbindung zum Horrorszenario im Lagerhaus ist noch unklar. Und das ist auch gut so, sorgt es doch für zusätzliche Spannung bei der Lektüre. Band 2 kommt im Oktober. Bis dahin dürfen wir noch feste miträtseln. (bw)
A Walk through Hell, Band 1: Das verlassene Lagerhaus
Text: Garth Ennis
Bilder: Goran Sudzuka
144 Seiten in Farbe, Hardcover
CrossCult
22 Euro
ISBN: 978-3-95981-978-7