Caliban (Panini)

Januar 3, 2018

Irgendwann in einer durchaus unwirtlichen Zukunft: die „Caliban“ rast durch den Hyperraum, an Bord eine ganze Kolonie von Minenarbeitern, die im Kälteschlaf auf ihren Einsatz auf diversen Planeten warten, auf denen man die auf der ausgeräuberten, überbevölkerten Erde dringend benötigten Bodenschätze abbaut. Eine kleine Crew kümmert sich darum, dass während der Reise alles glatt läuft, dass man auf Kurs bleibt und die Schlafkammern ordentlich funktionieren. Dabei gibt es die üblichen Reibereien, Zickenkriege und alles, was eben vorkommt, wenn Menschen aufeinander hocken und sich auf den Geist gehen. Das endet schlagartig, als es einen gewaltigen Knall tut, die Systeme ausfallen, der Funkkontakt zusammenbricht und sich langsam aber sicher eine ungeheuerliche Wahrheit auftut. Offenbar ist man im Hyperraum mit einem anderen Raumschiff zusammengestoßen – wobei sich hier der physikalische Grundsatz äußert, dass zwei Objekte niemals den gleichen Raum besetzen können: die Schiffe sind ineinander verschmolzen und gehen nahtlos ineinander über, inklusive den armen Crewmitgliedern, die das Pech hatten, gerade an einer Stelle zu stehen, an denen sich die Schiffe überlappen (zerteilte Gliedmaßen sind da noch die harmlosere Auswirkung).

Auch der Lagerraum mit den Schlafkapseln wird völlig zerstört, die Kolonisten in spe treiben hinaus ins Weltall. Vollkommen schockiert machen sich die Überlebenden unter Führung von Captain Delong daran, die Reste zusammen zu klauben. Man stellt fest, dass das Alien-Schiff wohl eine Art intergalaktische biologische Expedition darstellte, mit jeder Menge Spezies an Bord, die untersucht oder zu Nutzzwecken gehalten wurden. Dann tritt auf einmal der verschwundene Navigator Karien, schon vorher ein rechter Rüpel, in Aktion: er schaltet die Systeme des Alien-Schiffs ein und beginnt mit einem gnadenlosen Katz und Maus-Spiel gegen seine ehemaligen Kameraden. Offenkundig ist ein Gestaltwandler an Bord des Schiffs gewesen, der von einer Lebensform zur nächsten springt und dabei seine Hüllen jeweils zu Kampfmaschinen „optimiert“. Die Alien-Besatzung, so erfahren es die entsetzten Menschlein aus einer unzulänglichen übersetzten Aufzeichnung, sah als letzte Chance nur noch die Abschaltung aller Systeme und den kollektiven Selbstmord. Ein Crewmitglied nach dem anderen fällt dem immer abenteuerlichere Mutationen durchlaufenden Karien zum Opfer, bis nur noch die Technikerin Malik und die Navigatorin Nomi übrig sind, die dem unheimlichen Wesen aus einer fremden Welt gegenüberstehen…

Im Weltraum hört Dich niemand schreien – auch dann nicht, wenn Du einfach den Plot von Alien neu erzählst und eine schmackige Hommage daraus bastelst. Das dachte sich Garth Ennis, als Ridley Scott die ersten Ankündigungen für sein Alien-Prequel „Prometheus“ unters begeisterte Volk brachte. Scotts Vision der Konstrukteure, die den Menschen erst erschaffen und dann per Alien-Kroppzeug wieder vernichten wollen, ging dann letztlich allerdings in eine gänzlich andere Richtung, als Mister Ennis selbst eingeschlagen hätte. Und nachdem wir es hier nicht mit einem Internet-Foren-Fanboy-Troll, sondern mit dem Autor von „Preacher“, „Crossed“, „Hellblazer“ und „Punisher“ zu tun haben, schrieb er eben keine erbosten Blogs, sondern ganz einfach seine eigene Version der Alien-Origin.

Dabei verbinden sich alle Elemente, die vor allem den ersten Streifen von 1979 zum Prototypen des SF-Horrors machen: die finsteren Gänge, der rucklige Funk-Kontakt, das schiere Grauen eines Wesens, das nach dem Zehn-Kleine-Raumfahrerlein-Prinzip einen nach dem anderen stellt und drastisch abmurkst, all das kommt direkt aus Dan O’Bannons Alien-Skript, der damit ja bekanntlich seinerseits nichts anderes lieferte als eine zugegebenermaßen geniale Abkupferung des alten Low Budget-Heulers „It! The Terror From Beyond Space“ von 1958. Auch die überlegene Rasse, die das Alien irgendwie mit an Bord hat, die kommerzielle Motivation und ruppige Lastwagenfahrer-Mentalität der menschlichen Besatzung (außerirdische Minenarbeiter werden im Tiefschlaf durch die Gegend geschippert) kennen wir aus dem Scott-Film, während Ennis auch einige schöne Varianten einbaut: auch bei ihm avancieren die Frauen zu den eigentlichen „Helden“, die bei ihm allerdings auch durch zarte emotionale Bande gekennzeichnet sind. Das Monster erscheint nicht wie bei Scott als die wildgewordenen Geburtsalpträume eines Schweizer Designers, sondern als körperloses Wesen, das à la „The Body Snatchers“ Wirtskörper überfällt und biologisch „umbaut“.

Nicht fehlen darf die für Ennis charakteristische, durchaus graphische Gewalttätigkeit, die aber inhaltlich motiviert bleibt und niemals als Selbstzweck erscheint. Dennoch ist die optische Gestaltung durch Facundo Percio, der die klaustrophobische Stimmung und den schieren Terror kongenial aufs Papier bringt, nichts für schwache Nerven. Und keine Punkte gibt es (leider, da Ennis dies direkt auflöst) für die Deutung des Raumschiff-Namens: brachte bei Scott die „Nostromo“ noch einen Hauch Joseph Conrad, so steht hinter der „Caliban“ natürlich der Barde selbst, in dessen „Tempest“ ein durchaus abgedrehter Unhold und Sohn einer Hexe auf diesen Namen hört. Und dass gerade Shakespeares letztes Werk über den Zauberer Prospero und seine Kreaturen, die sich gegen ihn wenden, eine gute Inspiration für Science Fiction-Streifen ist, wissen wir spätestens seit „Forbidden Planet“. Der vorliegende Band bringt alle sieben Einzelhefte der Mini-Serie „Caliban“, die im Original von März bis September 2014 erschienen, und wird ergänzt von einem kleinen Skizzenbuch. (hb)

Caliban – Odyssee ins Grauen
Text: Garth Ennis
Bilder: Facundo Percio
180 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
19,99 Euro

ISBN: 978-3-7416-0241-2

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