Green River Killer (Carlsen)

März 15, 2014

Green River Killer

Seattle in den 80er Jahren: ein Serienmörder treibt sein Unwesen, über die Jahre fallen ihm mehr als 50 Prostituierte zum Opfer. Die Polizei gründet eine Sonderkommission für den bald so genannten „Green River Killer“, bei der sich vor allem der Detektiv Tom Jensen um Aufklärung der Verbrechen bemüht. Aber zu gerissen ist der Killer, zu spärlich die Möglichkeiten der Beweisaufnahme, als dass man dem Täter jemals wirklich nahe kommen könnte – falsche Spuren und Fehlschläge führen dazu, dass die Arbeit der Kommission eingestellt wird und Jensen auf Sparflamme weiter ermitteln muss. Bis schließlich die Forensik den Durchbruch bringt: mit Hilfe moderner DNA-Analysen gelingt es Jensen, den alten Verdächtigen Gary Ridgway, dem man vor Jahren eine Speichelprobe entnahm, mit den Morden in Verbindung zu bringen. Und siehe da, Ridgway gesteht – aber er verlangt einen Deal: er will über wirklich alle Morde Zeugnis ablegen (und das sind noch deutlich mehr als die, zu denen Jensen ermittelt), wenn er dafür der Todesstrafe entgeht. Widerwillig lässt sich die Staatsanwaltschaft darauf ein, schafft Ridgway in eine eigens hergerichtete Notunterkunft – und jetzt ist es an Jensen, belastbare Beweise für die Taten zu beschaffen, derer sich Ridgway bezichtigt. Über allem schwebt dabei die Frage, die Jensen seit 19 Jahren umtreibt: warum ermordet ein Mann scheinbar wahllos mehr als 50 Frauen?

Was sich liest wie das Treatment eines Serial Killer Reißers aus den 90ern ist nichts als pure Realität: wie der Untertitel schon sagt, breiten Autor Jeff Jensen (richtig geraten, der Sohn des Detektivs!) und Zeichner Jonathan Case hier eine wahre Geschichte aus, die Jensen aus den spärlichen Erzählungen seines Vaters zusammengesetzt hat. Dabei springt die Geschichte zwischen den Zeitebenen, wir erleben die Anfänge der Ermittlungen parallel zu dem Verhör, das letztendlich das Geständnis des Täters zu Tage fördert. Weit spannender als das Tatmotiv – es geht letztendlich um einen krankhaften, nekrophilen Psychopathen – gerät dabei die Charakterisierung des Detektivs, der über Jahre hinweg eine persönliche Verantwortung für die Aufklärung der Taten dieses Wahnsinnigen zu entwickeln scheint.

Anfangs noch gelockt von der Aussicht auf einen bequemen Job und gute Karrieremöglichkeiten, avanciert Jensen im Verlauf zum einsamen Streiter für Gerechtigkeit und Wahrheit – weshalb er auch selbst trauernden Familien die Botschaft vom Tode ihrer Tochter überbringt. Halt findet er dabei nicht nur bei Sherlock Holmes, den er gerne zitiert, sondern auch in seiner Familie, vor allem einer Szene aus einer Schultheateraufführung, in der sein Sohn den Don Quixote gibt: dessen „unmöglicher Traum“, das Kämpfen gegen jede Wahrscheinlichkeit, wird zum Motto der ganzen Ermittlungen. Nebenbei streuen Jensen und Case jeweils zeitgenössische Referenzen, die das Geschehen verorten, von den ersten Computern, die die Polizei unterstützen, über die Entwicklung von Seattle zum High Tech- und Grunge-Mekka in den 90ern, Michael Manns erster Red Dragon-Verfilmung „Manhunter“ bis hin zur Gegenwart („was ist ebay?“, fragt ein älterer Kollege, den man nur Columbo nennt). Eine spannende Graphic Novel, die fernab von jeglichem Sensationalismus oder oberflächlicher Psychologie faszinierende Einblicke mehr in den Jäger als in den Gejagten gibt – und als Hommage an einen inspirierenden Vater bestens funktioniert. (hb)

Green River Killer – Die wahre Geschichte eines Serienmörders
Text: Jeff Jensen
Bilder: Jonathan Case
240 Seiten in schwarz-weiß, Hardcover
Carlsen Verlag
18,90 Euro

ISBN: 978-3-551-73644-4

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