Eines Abends erscheinen in aller Heimlichkeit zwei Arverner-Häuptlinge im unbeugsamen gallischen Dorf. Im Schlepptau haben sie Adrenaline, die in der Öffentlichkeit unbekannte Tochter des berühmten Vercingetorix, der einst bei Alesia seine Waffen zu Cäsars Füßen warf, bzw. auf dieselben. Adrenaline wird zeit ihres jungen Lebens von den Römern verfolgt, die sie zur Römerin umerziehen wollen, und daher von ihren beiden Ziehvätern versteckt. Jetzt soll sie nach Londinum (London) ins sichere Exil gebracht werden. Und bis die (kleine) Überfahrt organisiert ist, wird Adrenaline im gallischen Dorf „deponiert“, nicht ohne die Gallier zu warnen: „Aber Vorsicht, sie büxt gerne aus“. Schnell freundet sich der Teenager mit der Ortsjugend an, v.a. in Person der Söhne von Fischhändler Verleihnix und Schmid Automatix. Asterix und Obelix haben dabei stets ein waches Auge auf sie, können aber nicht verhindern, dass die gelangweilte und grundgenervte Adrenaline irgendwann tatsächlich verschwunden ist…
Ein neuer Asterix – diesmal pünktlich zum 60. Geburtstage der Serie – erfährt bei seiner Veröffentlichung traditionell ein riesiges Medienecho wird dabei stets kritisch beäugt. Wobei – seitdem das Duo Ferri/Conrad die auflagenstärkste aller franko-belgischen Comicserien übernommen hat – zwei Dinge von vornherein als sicher gelten: Asterix wird nie mehr so gut wie unter der Ära Goscinny. Und nie mehr so schlecht wie unter der „Alleinherrschaft“ Uderzos. Nach dem letzten, gelungenen Band „Asterix in Italien“, findet die Handlung jetzt größtenteils in der Heimat der unbeugsamen Gallier statt. Mit Adrenaline als Tochter Vercingetorix‘ betritt eine junge Dame die ländliche Bühne des gallischen Dorfs, die sich einerseits als stolze wie starrköpfige Tochter ihres Vaters erweist (der, was hier natürlich unerwähnt bleibt, später in Rom hingerichtet wurde), die andererseits – ganz Teenager like – ein rebellisches Wesen und eine Abneigung gegen alles Erwachsene an den Tag legt.
Ob der Ausflug der Story in die gallische Jugend nun frischen Wind in die Serie bringt, oder eher Momentaufnahme ist, mag dahingestellt sein. Schließlich gibt es keine Comicreihe, die ein so strenges und vorgegebenes Korsett mit sich herumträgt, in das die jeweilige neue Story eingepasst werden muss. So viele Dinge und Personen sind inzwischen fest zementiert und müssen in einem Asterix-Album einfach enthalten sein: Cäsar, die Piraten, veritable Keilereien, Zaubertrank, ein Obelix der „zu dick“ ist, Römer die spinnen usw. Und bei alledem darf der Humor nicht vergessen werden, auch gerne in Form von Running Gags in Wort und/oder Bild. Die beginnen hier damit, dass der Name des Vercingetorix von den Galliern nur flüsternd ausgesprochen werden darf, wohingegen die Römer lediglich von dem „Dings“ sprechen. Auch, dass Adrenaline gerne ausbüxt, wird mehrfach erwähnt, wobei natürlich klar ist, dass genau dies geschehen wird. Der Kapitän des Fluchtschiffes heißt Letitbix und rezitiert (eingedeutschte) Beatles-Songs, mit denen die Arverner natürlich null anfangen können, etc.
Mit Witz und Humor, mal vordergründig, mal subtiler, wird also auch im vierten Asterix-Abenteuer, das von Ferri und Conrad gestaltet ist, nicht gespart. Dazu gibt es einen Gegenspieler, der abtrünnige gallische Verräter Miesetrix, samt grimmigem Pferd Nosferatus, der Adrenaline immer wieder aufspürt. Die Römer halten sich anfangs zurück, bis es dann zur obligatorischen Massen-Keilerei kommt, die Conrad fein im Wimmelbild-Format zeichnet und die diesmal zur Abwechslung auf hoher See stattfindet. Schön auch, dass den Piraten (bekanntlich ursprünglich als Parodie auf Charliers und Hubinons „Der rote Korsar“ gedacht), eine größere Rolle eingeräumt wird, freilich mit dem üblichen Ende. Einen Kurzauftritt hat zudem Epidemais, den wir aus „Asterix als Gladiator“ kennen. Insgesamt reicht das neue Asterix-Album nicht an den Vorgänger heran. Es dauert zu lange, bis die Story in Gang kommt und die wirkt dann an manchen Stellen unrund (der bescheuerte Sohn des „Schiffszenturios“ bringt nichts für die Handlung). Aber immer noch besser als die letzten reinen Uderzo-Alben. Immerhin.
Wie immer ist das Album bei Egmont Ehapa Media neben der üblichen Softcover Ausgabe als Hardcover Band erhältlich. Dazu gesellt sich wieder für Sammler eine Luxusedition (im Überformat, inkl. Bleistiftzeichnungen – 128 Seiten für 59 €) und eine Superluxusausgabe (limitiert auf nur 400 Exemplare, inkl. von Ferri und Conrad signierten Drucken – 122 Seiten für beachtliche 199 €). Beides ist übrigens noch zu haben. (bw)
Asterix, Band 38: Die Tochter des Vercingetorix
Text: Jean-Yves Ferri
Bilder: Didier Conrad
46 Seiten in Farbe, Hardcover
Egmont Comic Collection
12 Euro (Hardcover)
6,90 Euro (Softcover)
ISBN: 978-3-7704-3638-5