„Die spinnen, die Römer!“ Dieses geflügelte Wort scheint sich einmal mehr zu bewahrheiten. Vor den staunenden Augen unserer Lieblingsgallier marschieren römische Legionen fröhlich pfeifend und singend an ihnen vorbei, man scheint generell gut gelaunt. Als Asterix einen der Soldaten zur Rede stellt, kommt die Wahrheit ans Licht: gegen eine Stationierung in Belgien nimmt sich der Dienst im keltischen Gallien aus wie Ferien – man schickt die Truppen zur Erholung her. Und als ob das noch nicht genug wäre, geht der gute Gaius Julius Caesar persönlich mit der Botschaft hausieren, die Belgier seien von allen gallischen Stämmen die tapfersten Vertreter. Das kann der schäumende Majestix natürlich nicht auf sich sitzen lassen: gemeinsam mit Asterix und Obelix macht er sich auf ins „flache Land“, um den Belgiern ordentlich Mores zu lehren. Bald trifft man auf die belgischen Horden, die unter Führung des Wallonen Stellartoix und des Flamen Egmontix die Römer nach allen Regeln der Kunst zerlegen. Bei einem „kleinen Festmahl“, bei dem nach belgischer Art Tonnen von Köstlichkeiten aufgefahren werden, einigt man sich auf einen Wettstreit: wer mehr römische Lager zerdeppert, der darf sich als tapferster Gallierstamm bezeichnen. Und wer wäre besser geeignet als der eiligst anreisende Caesar selbst, um in dieser Sache den Schiedsrichter zu geben?
In seinem 24. und letzten Asterix-Abenteuer, das René Goscinny kurz vor seinem viel zu frühen Tod am 5. November 1977 fertigstellte, zündete der Meister der Sprachspiele, Nationalklischees und Situationskomik nochmals ein wundervolles Feuerwerk. Goscinny und Uderzo waren der belgischen Comicszene mit Hergé, Morris und Franquin aufs Engste verbunden, so dass es nur eine Frage der Zeit war, bis man die wohlwollenden Rivalitäten zwischen den Nationen in einem Zusammentreffen der keltischen und belgischen Gallier ausspielte. Die Vorlage dafür lieferte, wie so oft in Goscinnys Werk, der „Bellum Gallicum“ Caesars, in dem sich der Feldherr durch geschickte Darstellung und suggestive Übertreibungen gerne auch einmal in ein gutes Licht rückte. Gleich aus der Anfangspassage, die Generationen von Pennälern gequält hat, entnahm Goscinny das Motiv, das die Handlung in Gang setzt: „Gallia est omnis divisa in partes tres […] Horum omnium fortissimi sunt Belgae“ steht da zu lesen, von den drei gallischen Stämmen seien die Belgier (die Caesar später natürlich besiegte) die tapfersten.
Goscinny breitet dabei genüsslich die Stereotypen aus, die das Land kennzeichnen: keinerlei Erhebung gibt es, es ist eben das von Jacques Brel besungene „Plat Pays“, in dem die Mahlzeiten so dicht aufeinander folgen, dass es anscheinend morgens schon „Mittachmahl“ und mittags Abendessen gibt. Die reichhaltige belgische Küche in Form von mit allem belegten Butterbroten, Brüsseler Kohl (bei uns besser bekannt als Rosenkohl) und der flämischen Waterzooi kommt ebenso zu Ehren wie künftige Nationalgerichte: wie stets werden mehr oder weniger per Zufall Köstlichkeiten entdeckt (wie etwa der Tee in „Asterix bei den Briten“), als Stellartoix angesichts eines kochenden römischen Ölkessels überlegt, ob man Kartoffeln wohl auch frittieren könnte. Auch sprachlich zieht Goscinny alle Register und lässt die Protagonisten wie gewohnt in für fremde Ohren landestypisch wirkendem Tonfall sprechen – was bei den Briten das „ist es nicht“ und bei den Avernern das „sch“, ist hier das „ch“ am Wortanfang und das als Verkleinerung angefügte „ken“, das einen belgischen Zungenschlag wunderbar imitiert: man reißt „Spasseken“ am laufenden Band und attackiert „die Römerlacher in der Umchebung“.
Auch die für die gesamte Serie charakteristische wortspielerische Namensgebung findet sich hier (im Übrigen in einer wunderbaren Übersetzung von Gudrun Penndorf) mit Stellartoix (lange Zeit stammte das einzig trinkbare Bier in englischen Pubs aus Belgien), seiner Ehefrau Kantine und Vanderhofknix, aber auch dem Legaten Volfgangamadeus, wie auch bekannte belgische Persönlichkeiten wie die Schauspielerin Annie Cordie, der Radprofi Eddie Merckx (als Eilbote!) und sogar das Manneken Pis karikiert erscheinen. Wunderbar auch das Spiel mit der Gestalt Caesars, der immer wieder aus seiner würdigen Rolle fällt und wüste Schimpfattacken ablässt, weshalb man schon kommentiert, seine Zitate für die Nachwelt ließen auch immer mehr zu wünschen übrig – und sogar das berühmte Alea iacta est klaut er von einem arglosen Soldaten. Schließlich erhebt sich das Ganze auch zu einer schönen Reflexion über die eigene fiktive Welt, die sich im populären Bewusstsein schon Ende der 70er verselbständigt hatte: eingangs fürchtet Obelix, die Geschichte könne nicht gut ausgehen, und dann gebe es ja gar nicht das obligatorische Bankett. Als Caesar Asterix damit konfrontiert, er habe doch ganz Gallien unterworfen, antwortet der spitzfindig mit dem sattsam bekannten Eingangstext jedes Bandes: „Ganz Gallien? Nein! Nur unser unbeugsames kleines Dorf hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten!“
Dieses süffisante Spiel mit der eigenen Kunstwelt kulminiert am Ende, als es sogar gleich zwei Bankette gibt – eines davon in Belgien, was Uderzo nach klaren Anweisungen Goscinnys in einer ganzseitigen Zeichnung als Parodie des Gemäldes Die Bauernhochzeit von Pieter Bruegel umsetzte. Als Hommage an die belgische Comicszene schließlich dürfen als zwei römische Botschafter sogar Schulze und Schultze auftreten, von Uderzo in wunderbarer ligne claire mit entsprechendem Lettering als Verneigung vor Hergé gezeichnet. Insgesamt darf man es also als Glücksfall ansehen, dass Uderzo den Band, den Goscinny aufgrund eines Rechtsstreites mit dem damaligen Verleger Dargaud nicht fertiggestellt sehen wollte, auf Basis des abgeschlossenen Skriptes doch noch zu Ende zeichnete und den Lesern 1979 damit diesen wunderbaren letzten Gruß eines brillanten Autors ermöglichte. Zum 40. Todestag Goscinnys legt Egmont Ehapa die Geschichte als limitierte Sonderausgabe mit 16 zusätzlichen Seiten vor, auf denen man jede Menge Hintergründe und spannende Dokumente (darunter auch die letzte Seite von Goscinnys Typoskript) entdecken kann. Neben der Softcover-Variante gibt es für Sammler eine gebundene Ausgabe in der Egmont Comic Collection. Nicht nur für Pommes Frites Freunde essentiell. (hb)
Asterix, Band 24: Asterix bei den Belgiern (limitierte Sonderausgabe)
Text: René Goscinny
Bilder: Albert Uderzo
64 Seiten in Farbe, Hardcover
Egmont Comic Collection
6,90 Euro (Softcover-Ausgabe)
12 Euro (gebundene Ausgabe)
ISBN: 978-3-7704-3987-4 (gebundene Ausgabe)