Julius Cäsars Ego, das ist hinlänglich bekannt, ist mindestens genauso groß, wie das Reich, über das er herrscht. So ist es nicht verwunderlich, dass er beschließt, seine glorreichen Taten in Gallien – sprich Eroberungen – in Form eines Buchs niederzuschreiben. Wäre da nicht die peinliche Episode in Aremorica mit den unbeugsamen Galliern, die den potentiellen Bestseller verhindert. Cäsars Berater Syndicus schlägt daher in aller Dreistigkeit vor, besagten Passus einfach zu streichen und darüber den Mantel des Vergessens auszubreiten. Doch bei den Schreibern gibt es eine undichte Stelle. Der Papyrus mit den selbst zensierten Stellen gelangt so an den Aktivisten Polemix, der sich damit sofort in Richtung gallisches Dorf aufmacht. Dort angekommen beschließt man, das Wissen um den Papyrus weiterzugeben, also von Mund zu Ohr, und begibt sich dazu in den Karnutenwald. Davon bekommt wiederum Syndicus Wind, und um zu verhindern, dass das geschieht und dass Julius (wie ihn Majestix stets herrlich despektierlich nennt) davon erfährt, reist er kurzentschlossen mit seiner Römer-Entourage selbst in Richtung Aremorica, um die Angelegenheit zu klären und aus der Welt zu schaffen…
Asterix-Geschichten müssen sich traditionell an enge Konventionen halten. Die können für den Autor Segen und Fluch zugleich sein. Segen deshalb, weil Teile der Story, seien es Motive oder Running Gags, wie die traditionelle Piraten Episode (die bekannte Parodie an den Roten Korsaren) oder diverse Textzeilen („Die spinnen, die Römer“ oder „ Dick, wer ist hier dick“) bereits vorgegeben sind und Fluch, weil man all diese bekannten Elementen noch in eine möglichst originelle und stimmige Story einbinden muss, ohne repetitiv zu wirken. Dazu kommen noch die beiden Ebenen in der Handlung, die einmal junge Leser (die lustigen Funny-Zeichnungen und die humorvolle Handlung) und zum anderen Erwachsene (Wikileaks-Chef Julian Assange stand für Polemix Pate, die Entstehung von Cäsars ‚De Bello Gallico‘ – welcher uns in der Schule so einiges an Kopfzerbrechen bereitete) gleichermaßen ansprechen. Goscinny beherrschte beides wie kein anderer und wird deshalb auf ewig der Chef im Asterix-Olymp sein, wohingegen Uderzo dies vor allem gegen Ende seiner Karriere als Alleinverantwortlicher schmerzlichst und sträflichst vernachlässigte. Und dabei – nicht nur bei mir – massiv an Ansehen einbüßte. Dieses hat er sich inzwischen weitgehend wieder zurückgeholt, da er den Mumm hatte, seine Serie in Dritthände abzugeben. Uderzo ist im wohl verdienten Ruhestand, sein Asterix lebt weiter, wie übrigens auch Lucky Luke (aber im Gegensatz zu Tim und Struppi), und mit Band 36: ‚Der Papyrus des Cäsar’ liegt nun bereits das zweite Abenteuer des neuen Kreativteams Ferri und Conrad vor.
Verschlug es die Gallier in ‚Asterix bei den Pikten’ (5,4 Millionen verkaufte Exemplare!) noch nach Schottland – eine willkommene Gelegenheit, die örtlichen Gepflogenheiten und Sitten auf die Schippe zu nehmen, was in der Serie seit jeher auch Tradition hat – bleibt man im neuen Band in der Heimat, wodurch die Macher quasi gezwungen sind, den Fokus auf eine starke Story zu legen. Was auch gelingt. Die Geschichte ist gut durchdacht, immer humorvoll, auch hintergründig und wird schlüssig zu Ende gebracht. Und alles, was einen Asterix ausmacht, ist vorhanden und gut darin eingebunden, ohne als Fremdkörper zu wirken. Und Neues ergänzt: der Gag mit den Brieftauben wird konsequent durchgezogen und variiert. Die typischen Sprüche sind da, die liebgewonnenen Auseinandersetzungen zwischen den Dorfbewohnern (hier verstärkt zwischen Majestix und seiner resoluten Gattin Gutemine) und die monumentale Keilerei mit den Römern ebenfalls. Das Bonmot am Ende ist dann sogar ein richtiger Goscinny-Moment – im doppelten Sinne des Wortes! Neben all diesen wiederkehrenden Elementen müssen natürlich auch die Zeichnungen stimmen. Der Stil ist durch Meister Uderzo vorgegeben und wird von Conrad verblüffend genau getroffen. Für Unwissende wäre der Zeichnerwechsel nicht erkennbar. Auch die Farbgebung ist wie immer. Und das ist auch gut so. Wer Conrad mal ohne Konventionen und im eigenen Stil erleben will, dem sei seine geniale Reihe ‚Helden ohne Skrupel‘ (dt. bei Carlsen und Finix) wärmstens empfohlen.
Zusammenfassend stellen wir erfreut fest, dass sich das neue Kreativ-Duo im Asterix-Universum zusehends wohl fühlt, sich auf die altehrwürdigen Stärken der Reihe besinnt und dabei immer standfester und sicherer wirkt. Und die Leser gleich mit. Was dazu führt, dass man sich endlich mal wieder auf neue Asterix-Geschichten freuen kann, ohne bei deren Lektüre in wehmütige Nostalgie zu verfallen. (bw)
Asterix, Band 36: Der Papyrus des Cäsar
Text: Jean-Yves Ferri
Bilder: Didier Conrad
48 Seiten in Farbe, Hardcover
Egmont Comic Collection
12 Euro
ISBN: 978-3-7704-3890-7