Verwirrung allenthalben. Noch ist der Rote Korsar der Meinung, dass Rick, sein Adoptivsohn, sich in der Gewalt der Spanier befindet, nicht ahnend, dass der schon längst getürmt und in Sicherheit ist. Ein spanischer Verräter tut sein Übriges und so eilt der Rote Korsar zur vermeintlichen Rettung Ricks nach Cartagena, wo er und sein Schiff, der Schwarzen Falke, schon längst von den Spaniern erwartet werden. Also muss Rick es wieder richten. Mit einer List gelangt er unerkannt in den Hafen und kann seinen Vater gerade noch so befreien, nicht ohne den Schwarzen Falken zu opfern (Das Ende des ‚Schwarzen Falken‘) und dem Korsaren das Versprechen abzuringen, sein Piratenleben an den Nagel zu hängen.
Dass es dazu nicht kommen wird, ist spätestens klar, als Rick in einem wenig angelaufenen Hafen auf eine geheime, vereinte Flotte aus Engländern, Spaniern und Holländern trifft. Deren Ziel: die endgültige Vernichtung des Roten Korsaren. Rick und seinen Leuten gelingt es, die Hafeneinfahrt zu blockieren und somit einen Vorsprung vor der feindlichen Flotte herauszusegeln. Denn Vatern muss mal wieder gerettet oder zumindest gewarnt werden. Doch scheint diesmal sämtliche Mühe umsonst. Kurz nachdem Rick den Schwarzen Pirat (der für die nördliche Karibik ‚zuständig‘ ist) um Hilfe bittet und bitter enttäuscht wird, steht die Flotte vor der Insel des Korsaren und bombt Wald und Ufer in Schutt und Asche. Der Rote Korsar und seine Getreuen ziehen sich in eine Höhle zurück, die dann auch Rick findet, aber ihr Schicksal scheint endgültig besiegelt. Würde da nicht eine verheerende Naturgewalt auf den Plan treten… (Auf Leben und Tod).
Wieder sind Rick, sein Vater, Baba und Dreifuß knapp dem Tod entkommen. Doch begegnen sie dem Schwarzen Piraten wieder. Der ist nicht nur auf Rache aus, sondern auf den sagenhaften Schatz des Roten Korsaren. Dieser soll in Florida liegen, in den unzugänglichen Everglades, auf dem Land der Seminolen. Quasi als Faustpfand wird Rick auf einer einsamen Sandbank ausgesetzt, während der Korsar den Schwarzen zum Schatz führen soll. Durch einen Zufall kann Rick von seiner Sandbank entkommen, während der Korsar versucht, die Schatzsuche zu torpedieren und gleichzeitig am Leben zu bleiben. Am Ende kommt es in den Sümpfen der Everglades zum Showdown (Der Piratenschatz).
Die drei Alben in diesem Band erschienen in nur zwei Jahren (1964/1965 ) und stammen aus einer produktiven Phase von Charlier und Hubinon. Gleichzeitig arbeiteten beide an der Fliegerserie Buck Danny (dt. Gesamtausgabe bei Salleck) und Charlier begann 1965 mit dem Western-Klassiker Leutnant Blueberry. Wie auch bei diesen beiden Serien ist Charlier dann am besten, wenn er die Abenteuer seiner Helden ungehemmt auf zwei oder drei Alben ausbreiten kann. So sind die einzelnen Geschichten zwar abgeschlossen, aber etliche Story-Elemente greifen inhaltlich zwischen den Alben über und dienen dazu, die nächste Haupthandlung ‚anzuköcheln‘ und vorzubereiten. So ist es beispielsweise klar, dass der Schwarze Pirat, der von Rick gedemütigt wird, im nächsten Abenteuer wieder auftaucht, um dort eine tragende, rächende Rolle als Bösewicht zu spielen. Rick, der Adoptivsohn des namenlosen Roten Korsaren, steht auch hier wieder im Mittelpunkt, als Retter seines Vaters (mehrmals) und als Identifikationsfigur für die (damals jugendlichen Leser). Immer hin und hergerissen zwischen zwei Welten – die der Piraten und das ruhige gesetzestreue Leben, das er eigentlich führen will.
Und obwohl sich die Motive ähneln (der Rote Korsar vertraut stets auf seinen Sohn und wird mit List, Tücke und Zufall gerettet, bis dahin zieht man immer wieder den Kopf aus der Schlinge), sorgt Charlier ausnahmslos für eine spannende Abenteuer-Unterhaltung ohne jegliche Längen. In Hubinon findet er (wie auch in Giraud bei Blueberry) einen kongenialen Partner, der seine Storys in unglaublich sorgfältig und opulent gestaltete Panels umsetzt – die Anblicke der Schiffe (bei Buck Danny sind es die Flugzeuge) und der Landschaften (auch das Wasser) sind ein zeichnerisch zeitloser Hochgenuss.
Beim Sekundärmaterial schwächelt der Band dieses mal. Die Infos zur Entstehung der Alben sind dürftig – am interessantesten sind die reproduzierten Originalseiten aus Charliers Szenario, die zeigen, dass er sich auch auf das Zeichnen verstand – statt dessen lässt man sich ausgiebig über zumindest hierzulande weitgehend unbekannte amerikanische und italienische Piratencomics aus (Ausnahme: Will Eisners ‚Hawks of the Seas‘) und versucht, anhand von alten Zeichnungen aus dem Magazin Pilote (in dem sie Serie erstveröffentlicht wurde) historischen Kontext herzustellen, indem man das Piratenleben in der Karibik beschreibt. Bleibt noch zu erwähnen, dass die Farbgebung in diesem Band wieder einheitlich ist. Ansonsten konstatieren wir ungetrübten Lesespaß und freuen uns schon auf die nächsten Piraten-Abenteuer aus der Feder von Charlier und Hubinon. (bw)
Der Rote Korsar Gesamtausgabe, Band 4:
Das Ende des Schwarzen Falken
Text: Jean-Michel Charlier
Bilder: Victor Hubinon
160 Seiten in Farbe, Hardcover
Egmont Comic Collection
29,99 Euro
ISBN: 978-3-7704-3756-6