Gravel, Band 1 (Dantes Verlag)

September 6, 2017

William Gravel ist ein Spezial-Ermittler des britischen SAS. Ein Mann fürs Grobe, einer, der Mist gebaut hat und daher nun sogenannte „inexistente Operationen“ durchführen muss. Die sind weder offiziell abgesegnet noch abgedeckt. Gravel ist hierbei also auf sich alleine gestellt. Für ihn kein Drama, denn Gravel weiß sich zu wehren: er ist ein Kampf-Magier. Eines von nur sieben Exemplaren weltweit. Und seine Fälle, bzw. das, was er in seinen inexistenten Operationen so alles er- und durchlebt, würde ihm ohnehin kein Mensch glauben.

So trifft er in „Strange Kiss“ in New York auf einen alten Kollegen. Dem wurde übel mitgespielt. Oder eher eklig. Denn seine Männlichkeit ist ihm abgefault und kleine, fiese Echsen (keine Aliens, aber so ähnlich) wachsen in seinem Bauch heran und brechen hervor. Bald stößt Gravel auf eine uralte Gefahr in Gestalt einer Monstrosität, die sich auf der Erde manifestieren und vermehren will – Lovecraft lässt grüßen… Im Nachfolger, „Stranger Kisses“ getauft, übernimmt Gravel einen vermeintlich lukrativen Auftrag: ein abgetakelter Kinostar will Bürgermeister von L.A. werden und plant, in einem spektakulären, selbstinszenatorischen Coup einen Skandal um vermeintliche Snuff-Filme aufzudecken, was gründlich in die Hose geht. Gravel stößt dabei auf eine Organisation, die Abarten von männlichen und weiblichen Geschlechtsteilen „züchtet“, welche Darstellern implantiert werden, um so die perfiden und perversen Gelüste der Reichen zu decken. Örks. In „Strange Killings“, der letzten Story in diesem Band, wird Gravel in seine englische Heimat gerufen. Nach einem Gefängnisaufstand scheint ein Gefangener mit seltsamen Kräften nun den Knast zu kontrollieren und lässt seine Mitgefangen mittels Magie zu willenlosen Zombies mutieren. Gravel geht einen unkonventionellen und nicht minder grausamen Weg, um die Gefahr aus der Welt zu schaffen. Und das gründlich…

No limits, no restrictions. „Gravel“ erschien und erscheint im Original bei Avatar Press. Hier tummeln sich namhafte Autoren und Superstars des Genres, u.a. Alan Moore mit „Providence“, Garth Ennis mit „Crossed“ (bzw. „Crossed + Einhundert“ – das jedoch wieder von Alan Moore) oder Kieron Gillen mit „Über“. Ein weiterer regelmäßiger Autor des Verlages ist Warren Ellis (u.a. „Transmetropolitan“, „Fell“). Viele Avatar-Serien zeichnen sich durch Gewalt- und Splatter-Darstellungen aus – hier kann man sich offenbar in dieser Hinsicht schön austoben, auf eine restriktive Mainstream-Verlagspolitik, wie bei Marvel und/oder DC, verzichtet man. In dieses Muster reiht sich auch „Gravel“ ein, von Anfang bis heute von Warren Ellis und Mike Wolfer geschrieben und gezeichnet, meist in diversen Miniserien. Teile davon – „Strange Kiss“ und „Stranger Kisses“ in Einzelbänden – erschienen auch vor Jahren schon bei uns, beim inzwischen verschwundenen Speed/Tilsner Verlag (2001 und 2002). Jetzt legt der noch junge Dantes Verlag, der auch „Usagi Yojimbo“ fortführt, die Serie komplett auf, wobei Band 1 die ersten drei Storylines beinhaltet und die dritte (Strange Killings) erstmals auf Deutsch vorliegt.

„Gravel“ ist eine Art „Hellblazer“ für Erwachsene. Die Reihe scheut weder explizite Gewalt- noch Ekeldarstellungen oder sexuelle Abartigkeiten. Das ist zugegeben nicht jedermanns Sache, da man Subtilität vergeblich sucht. Ansonsten gibt es Parallelen zum Vertigo-Magier John Constantine: die stoische Ruhe, mit der Gravel vorgeht, seine Coolness angesichts der Gefahren, trockene oder lakonische Sprüche. Wie Constantine hat er stets einen Plan von dem er sich nicht abbringen lässt und der von Gewinnmaximierung und Überlebensinstinkten genährt wird. Und am Ende ist er – zumindest ein wenig – immer der Gewinner. Vieles in den Geschichten wird nicht erklärt. Nach einer kurzen Einführung wird Gravel in das gradlinige Geschehen geworfen, wird direkt mit dem Problem konfrontiert und tobt sich dabei aus, ob angewidert oder genüsslich. Die Zeichnungen von Mike Wolfer („Stitched“) sind dabei – wieder auf die Gewalt bezogen – erschreckend realistisch, obgleich die Köpfe der Personen arg eckig sind und sich oft ähneln. Feine Graustrukturen verleihen den Panels eine gewisse Plastizität, wobei man sich ab und an einen kräftigeren Druck gewünscht hätte. Der Horror in „Gravel“ ist nicht für jede Leserschicht geeignet, ganz klar. Genrefans kommen aber uneingeschränkt auf ihre Kosten, denn volle Breitseite ist garantiert. (bw)

Gravel, Band 1
Text: Warren Ellis, Mike Wolfer
Bilder: Mike Wolfer, Dan Parsons
212 Seiten in Schwarz Weiß, Softcover
Dantes Verlag
16,95 Euro

ISBN: 978-3-946952-06-0

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