Dick ist er, der Jubiläumsziegel, der anläßlich des zehnjährigen Bestehens von CrossCult erscheint (der andere ‚Feier-Band‘ ist die Gesamtausgabe von Frank Chos ‚University Freaks‘). Auf über 600 (!) Seiten fasst der Schmöker vier Miniserien zusammen, die – wie im Titel schon festgeschrieben – allesamt mit dem Hellboy Umfeld zu tun haben. Schließlich ist der rote Teufelsbub ja auch einer der Renner des Verlags.
Los geht’s mit ‚Lobster Johnson: Der eiserne Prometheus‘. Lobster ist der Pulp-Superheld im Hellboy Universum. Wir finden ihn auch in der B.U.A.P.-Reihe wieder, ebenso übrigens, wie den mysteriösen Gegenspieler, Memnan Saa, der Lobster im New York des Jahres 1937 neben diversen Nazi-Schergen auf Trab hält. Ansonsten sind bekannte und lieb gewonnene Zutaten dabei: Monster, Magie und Mystery. Die Story dient quasi als Prequel zum aktuellen B.U.A.P.-Band 9 und sorgt damit für Hintergrund-Infos zu Handlung und Charakteren. Wirklich schön und originell ist die Geschichte der fiktiven Veröffentlichungen mit dem Helden Lobster Johnson in Roman, Comic und Film (die Mexi-Karloffs lassen grüßen), die den Kapiteln folgen. Solide und zweckmäßige Zeichnungen, das sollte auch genügen.
Überhaupt die Nazis. Die, bzw. deren Hinterlassenschaft stehen in der zweiten Erzählung ‚B.U.A.P.: 1946‘ im Mittelpunkt. Wie Trevor Bruttenholm, Hellboys Entdecker und Förderer, der in der Hellboy-Reihe schon bald stirbt. Der junge und unerfahrene Bruttenholm kommt 1946, kurz nach Kriegsende und Gründung der Behörde zur Untersuchung und Abwehr paranormaler Erscheinungen (B.U.A.P.), nach Berlin. Seine Mission: Hitlers okkulte Machenschaften und deren Überbleibsel finden und sichern. Nur leider tun die Russen das gleiche und dazu viel erfolgreicher. Deren Chef(in) ist Varvara, ein Dämon in Gestalt eines kleinen Mädchens! Das Interesse beider Seiten konzentriert sich bald auf eine verlassene Anstalt, deren Keller – wer hätte das erwartet – nichts Gutes birgt. Gerade in den Passagen, die in der Anstalt spielen, kommt sehr schönes Horrorfeeling auf. Das Ende mit dem dazugehörigen Endgegner ist dann als Gegensatz Pulp pur und erinnert an den Schluß von ‚Sky Captain and the World of Tomorrow‘. Die Zeichnungen bestehen aus kräftiger Tusche, erinnern bisweilen an Arbeiten von David Mazzucchelli und wissen zu gefallen.
In ‚B.U.A.P.: 1947‘ steht zum ersten Mal nicht mehr Bruttenholm im Mittelpunkt, sondern ein Team ehemaliger GI’s, die vom Professor ins französische Lac D’Annecy geschickt werden. Denn dort verliert sich die Spur von Baron Konig, einem Vampir, der für zahlreiche Massaker an NS-Offizieren verantwortlich sein soll. In einem Gruselschloss wird die eigenwillige Truppe gnadenlos aufgerieben, während einer von ihnen in ein von Vampiren bevölkertes Traumland gezogen wird und nach seiner Rückkehr von dem Priester Ota, einem Exorzisten und alten Freund Bruttenholms, (vorläufig) gerettet werden muss. Der Clou hier: Zwei Zeichner, einer für die Realität und einer für die Traumwelt. Die Zwillinge Gabriel Bá (der schon mit der innovativen Superheldenreihe ‚The Umbrella Academy‘ begeisterte, die auch bei CrossCult erscheint) und Fabio Moon waren dafür die perfekte Lösung. Ihre Zeichenstile sind zwar ähnlich, lassen sich aber trotzdem unterscheiden. Gute Idee! Und gerade wurden die Brüder in San Diego für ihre Serie ‚Daytripper‘ mit dem Eisner Award ausgezeichnet.
Den Abschluß markiert ‚Abe Sapien: Ertrinken‘. Hier wird der erste Außeneinsatz des Fischmenschen Sapien für die B.U.A.P. im Jahr 1981 geschildert. Vor der Westküste Frankreichs, auf der kleinen Insel Saint-Sebastien, soll er einen uralten Dolch aufspüren. Mit dem wurde 100 Jahre zuvor nahe der Insel ein holländischer Hexenmeister getötet. Doch der vermeintlich einfache Auftrag wird für den unerfahrenen Abe schnell zum Fiasko, bei dem er Überblick und Kontrolle verliert. Denn auch jetzt noch hat der Hexenmeister Beschützer, die ihn wieder erwecken wollen… Riesige lebende Schatten, Nebel, Monster aus dem Nichts, Tote, die noch leben – Lovecraft lässt grüßen. Zeichnerisch ist die Abe-Story am aufwendigsten, sehr realistisch und damit atmosphärisch dicht gestaltet. Ein ratloser und zögerlicher junger Abe Sapien, der ganz im Gegensatz zum harten Hund und Draufgänger steht, den er in der aktuellen B.U.A.P. Reihe gibt. Sehr schöner Horror.
Bei Entwurf von Handlung und Dialogen von ‚B.U.A.P.: 1946‘ und ‚B.U.A.P.: 1947‘ wurde Meister Mignola unterstützt durch Joshua Dysart, der bei uns auch kein Unbekannter mehr ist. Er war sogar Gast auf dem Comicsalon in Erlangen. Vor einigen Jahren erschienen hier seine trashigen Ausflüge in die Chaos Welten von Purgatori, Bad Kitty und Co. Die beiden anderen Episoden besorgt Mignola im szenaristischen Alleingang. Jede Miniserie hat die mittlerweile üblichen Skizzen und Entwürfe im Anhang – immer wieder eine informative Ergänzung, die die Entstehung der Zeichnungen und die Gedankengänge der Macher verdeutlicht. Ein Rück- und Ausblick auf die Charaktere des Hellboy-Universums schließt den Band ab.
Noch ein Wort zum Preis: 50 Euro sind natürlich happig, aber man sollte nicht vergessen, dass es sich eigentlich um vier Geschichten handelt, von denen jede als Einzelband 20 Euro kosten würde. Insofern paßt das schon. Außerdem ist der Jubiläumsband auf 1.111 Stück limitiert (leider nicht numeriert) und sollte daher bald ausverkauft sein. Als Ergänzung zu den Hauptserien Hellboy und B.U.A.P. ist das Teil mit all seinen Hintergrundinfos zu den Charakteren und deren Werdegang absolut empfehlenswert und eignet sich daneben auch ganz einfach als guter und ausdauernder Lesestoff. (bw)
Text: Mike Mignola, Joshua Dysart
Bilder: Jason Armstrong, Paul Azaceta, Gabriel Bá, Fabio Moon, Jason Shawn Alexander
612 Seiten in Farbe, Hardcover
CrossCult
50 Euro
ISBN 978-3-941248-00-7