Allseits beliebt: der Tod von Superhelden. In der regulären Kontinuität des jeweiligen Verlags-Universums durchaus eine publikumswirksame, aber auch problematische Sache, weil in den allerseltensten Fällen endgültig. Superman, Captain America, Wolverine – sie alle starben schon, kamen aber letztendlich wieder in der ursprünglichen, bzw. einer leicht veränderten Inkarnation zurück. Anders ist das, wenn Autoren und Zeichner Mut beweisen (dürfen), indem sie Geschichten außerhalb der jeweiligen Kontinuität erzählen, die so frei von jeglichen Altlasten, Zusammenhängen und gegenwärtigen oder zukünftigen Mega-Events sind. Dann sterben auch mal Helden für immer. So geschehen bei „Daredevil: Das Ende aller Tage“ (100% Marvel, Band 71) und nun auch aktuell in einer Neuauflage „Silver Surfer: Requiem“, der vierteiligen Miniserie, die original aus dem Jahr 2007 stammt.
Norrin Radd, der Silver Surfer, wird sterben. Seine silberne Haut, die er einst als Herold des Weltenverschlingers Galactus von diesem gemeinsam mit der kosmischen Kraft erhalten hat, löst sich langsam auf. Etwa einen Monat gibt ihm Reed Richards noch, das brillanteste Gehirn des Planeten. Auch er, der Chef der Fantastischen Vier, die mit dem Surfer so viel erlebt haben, kann zum Entsetzen seiner Frau Sue daran nicht rütteln. So begibt sich der Surfer vor dem Unausweichlichen auf eine Art „Abschiedstour“, eine letzte Reise, die ihn auf der Erde Spider-Man und Doktor Strange und schließlich auf seinem Heimatplaneten Zenn-La seiner Allzeit-Geliebten Shalla-Bal begegnen lässt. Zuvor schenkt er den Menschen einen Moment Frieden und Freiheit und beendet auf seiner Reise einen ewigen galaktischen Krieg zweier Alien-Völker. Auf Zenn-La angekommen erweist ihm sogar der schier allmächtige Galactus nicht nur die letzte Ehre, er zollt ihm auch seinen ewigen Respekt.
Edel sei der Surfer, hilfreich und gut. Frei nach Johann Wolfgang stellt Autor J. Michael Straczynski hier einmal mehr den Charakter des Surfers auf dessen letzter Reise in den Vordergrund. Seit seinem Debut in der klassischen Galactus-Trilogie innerhalb der der FV-Serie 1966 und seiner ersten Begegnung mit der blinden Alicia Masters haderte er stets mit sich und seinem Schicksal. Voller Schwermut und stets mit der Undankbarkeit der Menschen konfrontiert, versuchte und lernte er, als er noch durch eine undurchdringliche Barriere auf der Erde gefangen war, die Menschen und ihr Wesen zu verstehen. Lernte deren Schwächen kennen und zu akzeptieren. Mehr noch, sie wuchsen ihm ans kosmische Herz. Nun passiert dem Surfer, was allen Menschen widerfährt. Er stirbt. Selbst die Mächtigsten des Universums können also von der Vergänglichkeit eingeholt werden. Straczynski und Zeichner/Maler Esad Ribic gehen dabei sehr würdevoll vor. Zwar klingen manche Dialoge leicht schwüstig und etwas dick aufgetragen, wie auch die Episode als Friedens- und Heilsbringer angesichts des kosmischen Krieges. Ansonsten passt die gewaltige, poetisch-salbungsvolle Sprache, die den Surfer auch seit jeher charakterisiert.
Jedes der Panels, jede Seite von Esad Ribic, der 1972 in Zagreb geboren wurde, gleicht einem Gemälde, das realistisch wie plastisch auch mit der sanften Farbgebung, die den Band durchzieht, nicht an Kraft verliert. Ribic zeichnete neben diesem Vierteiler, der in dem Label Marvel Knights erschien (wie übrigens auch die wunderbare Daredevil-Reihe von David Mack) auch diverse X-Titel, die aktuelle Secret Wars Mini-Serie und war zuletzt an „Der unwürdige Thor“ beteiligt. Drehbuch- und Comic-Autor Straczynski, so hört man, verließ unlängst das Comicgeschäft, um sich wieder Film, Fernsehen und dem Theater zu widmen. Schade drum. Wie gerade bei „Deapool Max“ handelt es sich bei „Silver Surfer: Requiem” um eine Neuauflage. Die Geschichte erschien bereits 2008 als Band 11 der Reihe „Marvel Graphic Novel“. Panini stellt wieder eine auf 250 Exemplare limitierte Hardcover-Fassung zur Verfügung, die beim Verlag bereits ausverkauft ist. Wer mehr über den Surfer lesen will, dem sei auch die dreiteilige Reihe von Dan Slott und Michael Allred ans Herz gelegt, die ebenfalls optisch zu überzeugen weiß, wenn auch ganz anders. Oder gleich „Silver Surfer: Parabel“, jene einzigartige Zusammenarbeit zwischen Stan Lee und Moebius/Jean Giraud. (bw)
Silver Surfer: Requiem
Text: J. Michael Straczynski
Bilder: Esad Ribic
108 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
12,99 Euro
ISBN: 978-3-7416-0400-3