Captain Marvel, Band 2 (Panini)

Juni 21, 2017

Undank ist der Welten, oder vielmehr des Arbeitgebers Lohn. Das muss auch Carol Danvers leidvoll erfahren, die als frischgebackene Chefin von Alpha Flight gerade erst eine Attacke der Eridani in letzter Sekunde abwehren konnte. Auf der Raumstation, der sie nun schon sechs Monate vorsteht, darf sie sich dafür einem regelrechten Tribunal stellen: aus Sicht des Vorstands ging die Sache nämlich etwas zu knapp aus. Man fordert Carol auf, doch ihre Kontakte zu den Inhumans spielen zu lassen – immerhin gebe es in deren Reihen doch einen gewissen Ulysses, der künftiges Unheil wohl relativ treffsicher vorhersagen kann. Aus moralischen und ethischen Gründen (wer will schon Versuchskaninchen der Weltgemeinschaft sein?) lehnt Carol ab – und findet sich prompt in der nächsten Malaise. Eine Extremistin aus den Reihen der Kree – jener Rasse, die Carol einst mit ihren Kräften ausstattete – namens Dr. Minerva bedroht die Erde mit einer garstigen Biowaffe, mit der sie diverse Mutationen testen will.

Dieses Mal kommt Carol den entscheidenden Schritt zu spät und kann nur noch Tod und Verwüstung feststellen. Damit platzt auch ihr endgültig der Kragen: sie wendet sich an Medusa und überzeugt die Königin der Inhumans tatsächlich, dass der junge Ulysses mit seinen Visionen den Menschen beistehen soll. Dann allerdings schlägt der Kampf der Helden unter sich mit aller Macht zu: zwar kann man dank Ulysses‘ Vorhersagen den Unhold Thanos trotz erheblicher Opfer erstmals festsetzen, aber im Civil War kommt Carols Freund Jim Rhodes (aka War Machine) gewaltsam zu Tode – und Carol findet sich erneut in einem Verhör wieder. In einem leidenschaftlichen Plädoyer gelingt es ihr dabei, ihr gebrochenes Herz zu überwinden und den Preis des Sieges zu rechtfertigen. Alpha Flight beauftragt Captain Marvel, die größte Defensivtruppe zusammenzustellen, die die Welt je gesehen hat, um auf der Basis von Ulyssess‘ Vorhersagen quasi präventiv einzugreifen – und so kämpfen die Ultimates und die Reste der Avengers um Steve Rogers Seite an Seite mit Carol, die gleichzeitig versucht, die Bruchstücke ihres Lebens wieder zusammenzufügen, bis sich ein gänzlich unerwarteter alter Feind als Drahtzieher im Hintergrund outet…

Großevent! Bürgerkrieg! Heldenkampf! Konnte man den ersten Episoden der neuen Serie um Carol Danvers, die seit 2012 als Frau ihren Mann steht und ihre frühere Sidekick-Rolle Ms Marvel an Khamala Khan abgegeben hat, noch mühelos folgen, verlangt uns die weitere Storyline als Crossover mit dem Mega-Happening „Civil War II“ doch einiges ab. Die feinen, sehr persönlichen und allzu menschlichen Konflikte, die jedes Bürowesen aus dem Alltag kennt (Selbstzweifel der Bosswoman, Rivalitäten unter den Mitarbeitern, Zoff mit dem Betriebsrat etc.), die die ersten Hefte so erfrischend machten, weichen nun einem krachenden, bunten Reigen aus spektakulären Set Pieces. Man muss sich schon einiges zusammenreimen, um den Ereignissen folgen zu können, die vor allem zwischen den ersten beiden Kapiteln stark von der Civil War-Linie durchbrochen sind: erst erfreut sich War Machine bester Gesundheit und darf mit Carol sogar ein Schäferstünden verbringen, und schwups ist er tot; Carol sucht Clint Barton im Gefängnis auf, der dort als mutmaßlicher Mörder des Hulk einsitzt und so gar keine Reue zeigt; Spider-Man mischt gleich zweimal mit, einmal als Peter Parker und einmal als Miles Morales; Tony Stark schwebt als linksliberaler Revoluzzer über allem; usw. usw…

So ist es fast ein wenig schade, dass die einfühlsame Charakterisierung, die Michele Fazekas und Tara Butters vorlegten, in der Fortführung durch Chris und Ruth Fletcher Gage nun weitgehend im Schlund der Superevents verschluckt wird. Die nagenden Selbstzweifel, die Einsamkeit des Anführers und die Trauer um ihren geliebten Jim bringen dennoch ein wenig emotionale Komplexität ins Geschehen, wie auch die Idee der so genannten Prädiktivjustiz brandaktuelle Fragen aufwirft: ist es legitim, schwarze Listen und Dossiers über „potenzielle Gefährder“ (wer auch immer dies festlegt) anzulegen – und Leute zu verhaften, die nur beabsichtigen, Verbrechen zu begehen? Nicht nur Magneto, der seine Mutantenschar von dieser Praxis bedroht sieht, zieht hier Parallelen zu dem Gewaltregime, dem seine Familie einst zum Opfer fiel, und auch die angeheizte Debatte um den Umgang mit echten oder vermeintlichen Missetätern, in der es keine Patentlösung gibt, findet hier ihren Widerhall. Auch die zeichnerische Umsetzung, erneut durch Kris Anka und Marco Failla, brilliert wie schon in den ersten Episoden. Geneigte Leser finden hier die Storyline „Lonely at the top“, die in den USA in den Captain Marvel-Heften 6-11 im Jahr 2016 erschien. Und Black Panther ist auch dabei – immerhin gibt es hier schon den ersten Film-Trailer. (hb)

Captain Marvel, Band 2: Krieg der Helden
Text: Ruth Fletcher Gage, Chris Gage
Bilder: Kris Anka, Marco Failla
124 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
14,99 Euro

ISBN: 978-3-7416-0153-8

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