Alles neu macht nicht nur der Mai, sondern auch die Abwendung der kompletten Vernichtung der Welt. Die wurde nämlich nur möglich, indem Buffy, unsere allseits beliebteste aller Vampirjägerinnen, die Saat der Magie in der Welt neu aussäte und dadurch Maloker, den grimmen Schöpfer aller Vampire, aus dem Weg räumte. Dass das aber auch massive Konsequenzen hat, das erfahren Buffy und ihre Scooby Gang gleich am Anfang der Staffel 10, die wie auch schon die vorigen beiden Storybögen die Seiten einer Comicreihe füllen anstelle über die TV-Bildschirme zu flimmern.
Denn man sieht sich urplötzlich einer ganz neuen Garde von Untoten gegenüber: diese neuen Blutsauger sind nämlich Gestaltwandler, lassen sich nur äußerst mühselig pfählen und schlendern auch durch gleißendes Sonnenlicht, als wenn sie einen 300er Sonnenschutz aufgelegt hätten. Buffy steht dieser Unbill allerdings alles andere als eine gegenüber: Faith (immer schon deutlich leckerer als Miss Summers, aber das gehört jetzt nicht hierher) reist eigens aus England an und bringt nicht nur einige Kämpfer mit, sondern einen gewissen Jüngling, der sich äußerst gestelzt ausdrückt und oberlehrerhaft gibt. Flugs stellt sich heraus, dass der kleine Herr niemand anderes ist als der längst verloren geglaubte Wächter Giles, dessen Rückkehr aus dem Totenreich weitgehend ordentlich verlaufen ist – eben nur in einer deutlich jugendlicheren Inkarnation als geplant. Gemeinsam gelingt es, die neuen Vampire nebst des weiteren nervigen Kroppzeugs namens Zompire (richtig, eine Kreuzung aus Zombies und Vampiren) zurückzuschlagen. In die Freude über die traute Wiedervereinigung der alten Gang – mit Giles, Willow, dem aus den Klauen Draculas befreiten Xander sowie der ebenfalls reaktivierten Dawn sind außer dem alten Schwadroneur Angel, Werwolf Oz und Xanders Verflossener Anya alle mit an Bord – mischt sich schnell die Erkenntnis, dass in der Tat neue Regeln herrschen.
Das Buch der Magie, das alles in Sachen Geister, Dämonen und deren Jäger regelt, löst sich buchstäblich in Luft auf, vielmehr die Schrift darin, und wird von willkürlichen neuen Gesetzen ersetzt. Da kann nur noch einer helfen: Xander und Dawn, die an ihrer einstigen Liebe basteln und feststellen, dass Dawn irgendwie in das Teenie-Bewusstsein und somit unfundierte Schwärmerei zurückversetzt wurde, düsen nach Transsylvanien und statten dort dem alten Oberchef Dracula einen Besuch ab. Der kostet zunächst eine leicht wiedergefundene Herrschaft über Xander weidlich aus, lässt sich dann aber doch überzeugen, mit Buffy die alte Ordnung wieder herzustellen. Dass der originale Fürst der Finsternis dabei nicht ganz mit offenen Karten spielt, dürfte klar sein: denn er möchte ganz gar nicht die Welt retten, sondern nutzt vielmehr die Chance, sich wieder zu seiner anderen Inkarnation als Maloker aufzuschwingen. Mit vereinten Kräften stürzen sich Buffy, Spike, Willow, Xander und alle verfügbaren Kollegen auf das Überviech und schaffen tatsächlich, es in einem überdimensionierten Holzpfahl aufzuspießen. Das Buch der Magie schreibt man vernünftig neu, Dracula reist wieder ab, und Xander beschwört Dawn, dass er nochmals aufs Neue versuchen möchte, ihre Liebe zu erringen. Spike und Buffy raufen sich einstweilen auf neue Jäger-Züge zusammen – Klappe für diese Episode.
Nachdem Erfinder und Mastermind Joss Whedon offenkundig alle Hände voll zu tun hat, das Avengers-Universum im Kino phänomenal erfolgreich auszubreiten – zuletzt im Smash-Hit ‚Age Of Ultron‘, weiter geht’s bestimmt – fungiert er bei den aktuellen Comic-Fortsetzungen der Abenteuer seines Ende der 90er stilprägenden Fernsehkindes Buffy Summers nur mehr als Produzent. Als Schreiberling hat er dabei nicht nur Christos Gage, sondern auch Nicholas Brendon engagiert, der der Fangemeinde als Xander-Darsteller aus der TV-Serie durchaus bekannt sein dürfte. Zeichnete sich die Fernsehserie neben jeder Menge bunter Monster-Action und jugendlicher Beziehungsdramen nicht zuletzt durch eine durchgängige kluge Metapher aufs Erwachsenwerden und vor allem ein Dauerfeuer von Nerd-In-Jokes und Witzeleien aus, setzt die Comicreihe mehr auf farbenfrohe Abenteuer, die im Gegensatz zu den Cover-Seiten, die im vorliegenden Band enthalten sind, in der Gestaltung durch Rebekah Isaacs in nächste Nähe zum Funny-Look stehen.
Die Storyline changiert dabei von zwischenmenschlichen Verwerfungen (Xander und Dawn, Spike und Buffy – Beziehungsdramen, wohin man sieht) über apokalyptische Bedrohungen, wobei ein rechtes Weltuntergangsfeeling aufgrund der Gestaltung und auch der absurden Spitzen (Dracula lässt sich von Xander in der Wanne die Füße massieren) nicht aufzukommen vermag. Auch die Rückkehr des weisen Wächters Giles, im Original ein pointiert-kultivierter Gegenpol zu Teenie-Ängsten und Macho-Gehabe, als Pimpf ist ein Kunstgriff, der zumindest nicht zur Gravitas des Geschehens beiträgt. Bunte, rasante Action bietet die neue Staffel ohne Zweifel – den intellektuellen Anspruch, den die Serie im Fernsehen stets hatte, das wissende Augenzwinkern, das dürfte dem einen oder anderen ein wenig fehlen. Die vorliegende Ausgabe präsentiert die US-Ausgaben Buffy The Vampire Slayer, Season 10: Volume 1, New Rules, die bei Dark Horse im November 2014 erschienen ist. (hb)
Buffy – The Vampire Slayer, Staffel 10, Band 1: Neue Regeln
Text: Christos Gage, Nicholas Brendon, Joss Whedon (als Produzent)
Bilder: Rebekah Isaacs
140 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
16,99 Euro
ISBN: 978-395798-211-7