Magneto hat sich mit seinen Getreuen, den Acolyten, auf Asteroid M eingerichtet, einem felsigen Refugium, das hoch im All über Russland seine Bahnen zieht. Doch man lässt ihm keine Ruhe. Immer wieder kommt es zu Scharmützeln mit den X-Men, die sich über die neue Radikalität Magnetos wundern. Der ruft auf seinem Asteroiden eine Mutanten-Welt aus, schützt diese mit geklauten Atomraketen und geht auch sonst nicht gerade defensiv vor. Als er erfährt, dass einst seine DNA von Moira MacTaggert manipuliert wurde, will er sich rächen und auch das Erbgut der X-Men verändern, so dass sie ihm dienen. Als ein Teil davon um Cyclops und Wolverine tatsächlich auf Asteroid M einzieht und Magneto obendrein Professor Xavier in seine Gewalt bringt, schreiten die übrigen X-Menschen ein (u.a. Storm, Colossus und Jean Grey) und unternehmen einen umfassenden Befreiungsversuch… Danach: ein uralter Feind Wolverines wird von dem Schurken Matsuo Tsurayaba wiederbelebt: Omega Red. Der kann auf Dauer nur überleben, wenn er von der Energie anderer gespeist wird. Der Schlüssel zum ewigen Leben, den Tsurayaba und Omega Reds Auftraggeber, die von Struckers, haben wollen, liegt ausgerechnet bei Wolverine, der dann auch prompt nach Berlin ins Hauptquartier der von Struckers entführt wird. Doch dann tauchen gleich zwei alte Bekannte Wolverines auf…
Seit geraumer Zeit werden wir ja regelmäßig mit Marvel Verfilmungen bedacht, von denen der überwiegende Teil echte Klasse besitzt. Jetzt im Mai (nach Deadpool und Captain America: Civil War) ist es wieder soweit: X-Men Apocalypse steht in den Startlöchern. Eine gute Gelegenheit, nicht nur den „Age of Apocalypse“-Zyklus wieder zu veröffentlichen, sondern auch einen Klassiker von 1991, der bisher nur einmal das Licht der deutschen Panini-Welt erblickt hat: „X-Men: Ein neuer Anfang“, ein Sammelband der nebenbei auch das meistverkaufte Comicheft ever enthält. Ende der Achtziger/Anfang der Neunziger war nämlich der junge Jim Lee bereits ein Star unter den Marvel-Zeichnern. Nachdem er bereits eine Weile äußerst erfolgreich an Uncanny X-Men arbeitete, bekam er eine neue X-Reihe, die schlicht X-Men betitelt war (analog: Todd McFarlane bei Spider-Man. Dessen Nr. 1 war ein Jahr zuvor das meist verkaufte Heft). Das erste Heft, geschrieben von X-Men Tausendsassa Chris Claremont schlug ein wie eine Bombe. Auch aufgrund diverser Variant-Cover (und einem Falt-Cover, das alle vier Variants vereinigte – musste man haben, ich natürlich auch) gingen die Verkaufszahlen durch die Decke – man spricht von über 8 Millionen verkauften Exemplaren.
Der erste Story-Zyklus von Claremont thematisiert hintergründig bei aller fulminanter Action einen Grundkonflikt der X-Men Reihen: die Ausgegrenztheit von den Menschen, das Leben als ausgestoßene, mit Vorurteilen bedachte „Freaks“, die allgemeinhin als Bedrohung angesehen werden. Während die X-Men immer wieder den friedlichen Pfad wählen und versuchen, mit guten Taten ihr Image bei den Normal-Sterblichen aufzubessern und so Anerkennung zu erhalten, wählt Magneto den radikalen Weg einer bewusste Ausgrenzung, indem er seine Kräfte radikal einsetzt, dabei kaum Gnade zeigt und Kollateralschäden bewusst in Kauf nimmt. Eine Thematik die Claremont gut zehn Jahre nach seiner beeindruckenden X-Men Graphic Novel „God Loves, Man Kills“ (die Vorlage für den zweiten X-Men Film im Jahr 2003, erschien im gleichen Jahr auch bei Panini) einmal mehr aufgreift und so einen weiten Bogen der Aktualität bis heute spannt, wo Rassismus und Fremdenfeindlichkeit leider schon fast an der Tagesordnung sind und eine gefährliche Salonfähigkeit erreicht haben. Dann verließ Claremont überraschend die Reihe (wegen inhaltlicher Differenzen) und ein Team aus John Byrne, Scott Lobdell und Lee selbst übernahm die Gestaltung der Stories.
Der Band mit den ersten sieben US-Heften erschien erstmals und zuletzt bei Panini 1999 als Nummer 19 der noch heute erscheinenden Reihe Marvel Exklusiv. Jetzt, nach 17 Jahren ist die Zeit reif für eine Neuauflage. Leider hat man beim Lettering den alten sperrigen Font von damals und so auch notgedrungen die alte Übersetzung belassen und übernommen. Die Folge: viel weniger Text und damit viel weniger Inhalt in den Sprechblasen als im amerikanischen Original (siehe Vergleichsbild). Was auf Kosten inhaltlicher Tiefe geht. So klingen die Texte mitunter sehr oberflächlich und erinnern schlimmstenfalls an das knappe Gestammel in den alten Condor-Taschenbüchern. Schade, Gelegenheit verpasst. Zeichnerisch: Jim Lee in seiner frühen Reinform. Action und Dynamik sind Trumpf. Jedes Panel strotzt vor kraftprotzenden, zähnefletschenden X-Männern in bedeutungsschwangeren Gesten und vor grazilen, in Pin-Up Posen verharrenden X-Frauen in aufreizenden Leibchen und wallenden Mähnen. Sehr stylisch, keine Frage. Aber auch auf die Dauer leicht eintönig, obwohl die althergebrachte Panel-Struktur immer wieder aufgebrochen wird. In seinen späteren Werken hat sich Mr. Lee dann diesbezüglich doch weiterentwickelt (siehe „Superman Unchained“), wenn auch sein Stil in der Basis gleich geblieben ist und damit seinen hohen Wiedererkennungswert behalten hat. Auch erkennt man hier die qualitativ unterschiedlichen Tuschearbeiten. Lees Stamm-Inker Scott Williams verarbeitete dessen kantigen Stil mit ewig vielen Linien sorgfältiger als sein Nachfolger Art Thibert. Sei’s drum. Auch mit dieser Ausgabe hat Panini wieder Fans und Sammler bedacht und legt eine auf 222 Stück limitierte Hardcover-Variante für € 29 auf. (bw)
X-Men: Ein neuer Anfang
Text: Chris Claremont, John Byrne, Scott Lobdell, Jim Lee
Bilder: Jim Lee
188 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Verlag
16,99 Euro
ISBN: 978-3-95798-769-3