Captain Marvel, Band 1 (Panini)

März 17, 2017

Manchmal braucht man (oder frau) einfach einen Tapetenwechsel. Das gilt selbst dann, wenn man (oder frau, so jetzt reicht‘s aber) Kapitän Wunder heißt und sich schon in diversen Formationen mit allerlei Kroppzeug geprügelt hat. Denn nach ihrer Zeit bei den Avengers, bei den Guardians of the Galaxy und natürlich bei den Ultimates sucht Carol Danvers eine „neue Herausforderung“, wie man das ja in Stellenanzeigen stets so schön lesen kann. Und eben jene findet sie in einem Job beim Programm Alpha Flight: auf deren weit entferntem Außenposten im All kann man (wie die Men in Black) die erste, letzte und einzige Verteidigungslinie gegen außerirdisches Pack aller Art abgeben. Ihr Holder Jim Rhodes (im Nebenjob der Iron Man-Kumpel War Machine) liefert sie brav ab, los geht die wilde Reise, und flugs findet sich Carol auf der Raumstation, wo sie mit offenen Armen empfangen wird… Pustekuchen, schön wär’s.

Die durchaus offensive Abigail Brand, vormals Boss der Schutzbehörde Sword, wollte die Leitungsposition nämlich doch ganz gerne auch für sich haben und zickt ganz gehörig gegen die neue Chefin. Da hilft es auch nicht, dass die als Putzkolonne angestellten Eridani plötzlich mit so seltsamen Sachen wie Lohnerhöhung und Streik ankommen. Schon muss Carol fürchten, dass sie in einem schnöden Verwaltungsjob gelandet ist und höchstens noch mit dem Betriebsrat kämpfen soll. Aber die „Rettung“ naht in Form eines explodierten Asteroiden, der auf die Station zurast. Gemeinsam mit ihrer Truppe Eugene „Puck“ Judd, Jeanne-Marie „Aurora“ Beaubier und dem lustigen Felltier Walter „Sasquatch“ Langkowski zerdeppert die gute Carol die Trümmer nach allen Regeln der Kunst und ist froh, dergestalt Dampf ablassen zu können.

Die Wissenschaftsoffizierin Wendy Kawasaki (Tochter von Inoshiro Honda? Bleibt unklar…) macht jedoch alsbald die beunruhigende Entdeckung, dass der Asteroid gar nicht explodierte, sondern viel mehr gesprengt und absichtlich in Richtung Space Station Alpha Flight gelenkt wurde. Noch brisanter: die Attacke kam offenkundig aus der Ecke der Eridani, deren Delegation Carol sogleich festsetzen lässt, als auch noch ein Eridani-Raumschiff auf die Station zusteuert. Gemeinsam stoppt man den Raumer, der offenbar mehrere hundert Jahre auf dem Buckel hat, bestaunt im Inneren eine halborganische Bauweise mit Treibhaus und jeder Menge Leichen – bevor Carol dann mehr als nur irritiert ist, als sie an den Wänden ein Symbol entdeckt, das ihr durchaus geläufig ist: den Stern von Hala, das Zeichen der Kree, die ihr einst ihre Macht verliehen und das sie stolz auf der Brust trägt…

Variant-Cover-Edition: SC, 222 Stück, je 20 €

Carol Danvers bevölkert das Marvel-Universum bereits seit 1968, als Roy Thomas und Gerry Conway dem umtriebigen Captain Marvel in Form der Ms Marvel zunächst eine weibliche Verstärkung an die Seite stellten. Mit Superstärke, Flugkraft und der Fähigkeit, Energie zu absorbieren (alles Resultate aus einem Unfall mit einer Kree-Maschine) avancierte die gute Carol 1977 zur Protagonistin ihrer eigenen Serie und machte sich mit durchaus feministischen Tönen einen Namen. Nach einer doch etwas wechselhaften Historie in unterschiedlichen Inkarnationen, unter anderem als Energiewesen Binary und als Warbird, holte sich Frau Danvers ihre ursprüngliche Rolle zunächst wieder, nur um 2012 in die großen Spuren ihres Vorbilds Captain Marvel selbst zu treten.

Während in der Feder von G. Willow Wilson die pakistanisch-amerikanische Muslima Khamala Khan seit 2014 als neue Ms Marvel zu Recht hochgelobte Abenteuer durchsteht, durchrauscht Carol seitdem das Universum und wird in den ersten Bänden ihrer neuen Solo-Serie gleich mal Chefin von Alpha Flight, der von John Byrne ersonnenen Heldentruppe, die im Dunstkreis der X-Men seit 1979 im Universum nach dem Rechten sieht. Nach einem durchaus respektablen Run von 1983 bis 1994 – unter anderem bemerkenswert durch das erste offizielle Coming Out im Marvel-Universum in Form von Northstars Selbstbekenntnis  1992 – siechte die Serie mit den illustren Figuren wie Puck und Sasquatch ein wenig dahin, wurde mehrmals neu gestartet und liefert nun den Hintergrund für Carols neue Spielwiese. Die ist eindeutig im Science Fiction-Milieu angesiedelt und bis an die Kante voll mit Querverweisen: „Wu-Hu! Zu Hause habe ich Womp-Ratten von… wie ging das Zitat?“, kalauert sich Puck da durch die Attacken (man hilft gerne, wo es fehlt: „von meiner T-16 aus abgeknallt, so geht es weiter. Und es gibt keine Punkte dafür, wo das herkommt. Nur ein Tipp: der Autor wurde von einem seiner Darsteller damit konfrontiert, dass man diesen Quatsch vielleicht schreiben, aber doch niemals wirklich aufsagen könne. Von den 12 Parsec mal ganz zu schweigen).

Und das halborganische Raumschiff der Eridani ist eindeutig in einem durchaus populären Meilenstein des utopischen Grusels verortet: „Ich kenne diesen Film“, sinniert Carol beim Eintritt. „Und die Sequels.“ Auch optisch nah an Ridley Scotts Saga um das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt angelehnt, entwickeln die Autorinnen Michelle Fazekas und Tara Butters somit eine krachige Space Opera, die mit der selbstbewussten Bosswoman Carol auch Fragen von Mitarbeiterführung und Stutenbeißen integriert und somit doch wieder mit beiden Beinen in der modernen (Arbeits)-Welt steht. Inszeniert wird diese flotte Mischung von Kris Anka in dynamischem hero-Stil, der das Ganze passend zur Geltung bringt. Und Rocket Raccoon darf sogar auch mal hereinschauen. Nice! Der vorliegende Band enthält die US-Hefte Captain Marvel 1-5 aus dem Jahr 2016. (hb)

Captain Marvel, Band 1: Wächterin der Erde
Text: Michele Fazekas, Tara Butters
Bilder: Kris Anka
116 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
12,99 Euro

ISBN: 978-3-7416-0152-1

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