Himmelfahrtskommandos sind immer ein wenig problematisch. Zum einen findet man ja kaum noch Personal für solche Arbeiten. Zum anderen gehen diese Aktionen für die Teilnehmer meist ins Auge, daher ja der Name. Durchaus praktisch also, wenn man eine Handvoll durchgeknallter Schwerverbrecher an der Hand hat, die im Gegenzug für Straffreiheit die Drecksjobs erledigen, mit denen die Regierung nichts zu tun haben will, die aber dennoch getan sein wollen. Wie etwa in Moskau das neueste Superduper-Geheimprojekt der Russen auszuspionieren und gleich dabei noch plattzumachen. So etwas ist definitiv kein Job für Superman, sondern für die Task Force X, von den Mitgliedern liebevoll Suicide Squad genannt. Und nicht nur der Auftrag, sondern auch die externen Rahmenbedingungen garantieren jede Menge Spaß. Weil nämlich der junge Karrierehengst Vic Sage meint, Amanda Wallers Truppe sei doch etwas fad und müsse dringend mal aufgemöbelt werden, sind einige neue Schlachtenbummler am Start: Captain Boomerang muss seinen Hut nehmen, dafür gehen mit Deathstroke Slade Wilson (jaja, klingt ziemlich nach einem anderen Söldner, oder?) und einer Lady, die sich für Jokers Tochter hält, seitdem sie das Gesicht des Clowns im Fluss gefunden hat und als Maske trägt, zwei zutiefst fragwürdige Teilnehmer an den Start.
Nachdem die Rollen des Söldners und der irren Clownsdame damit doppelt besetzt sind, ist der Streit vorprogrammiert, und der bricht auch erwartungsgemäß aus, als der Trupp gewaltsam in die russische Forschungseinrichtung eindringt. Dabei machen der schwarze Manta und Harley Quinn noch eine ganz gute Figur, bis man entdeckt, was das Forschungsobjekt war: nichts anderes als gewaltige Kampfroboter haben die Russen gebaut, die Rocket Reds, die wie Marvels Sentinels über gewaltige Kräfte verfügen und den eingeschleusten Angreifern die Hölle heiß machen. Dabei gerät Deadshot in Gefangenschaft und muss feststellen, dass die Loyalität seines Branchenkollegen Deathstroke gerade mal soweit reicht wie die Habenzeile auf dem Bankkonto: allzu gerne lässt sich Wilson von den Russen abwerben. Und Sage hat nichts Besseres zu tun, als die ganze Mission wie eine heiße Kartoffel fallen zu lassen. Aber da hat er die Rechnung ohne Manta und Harley gemacht, die sich so leicht nicht unterkriegen lassen… Neues Spiel, neue Besetzung, neues Glück: nachdem sich der schwer verletzte Deadshot erst mal wieder aufrappeln muss und Deathstroke sowie Jokers Tochter nicht mehr so populär sind, dürfen wieder andere Outlaws ran. Neben dem Rückkehrer „Digger“ Harkness (auch bekannt als Captain Boomerang) ist dieses Mal auch Reverse Flash mit von der Partie, und als ob das noch nicht genug wäre, dürfen auch noch ein paar Ninja-Man-Bats ran. Ziel: China, wo man offenbar klammheimlich daran arbeitet, Meta-Wesen zu züchten. Das gefällt der US-Regierung natürlich weniger, und so sind weitere explosive Verwicklungen unvermeidbar…
Das Team von Superverbrechern, die von der Regierung im Austausch für dubiose Aufträge engagiert werden, ist derzeit ja in aller Munde: Task Force X tummelt sich im Rahmen des Extended DC Universe auf der Leinwand. Dass sie den Weg dahin jemals schaffen, war in etwa so wahrscheinlich wie der ihrer Kollegen Deadpool oder auch der Guardians Of The Galaxy. Aber der Versuch von DC, den Erfolg des großen Widersachers Marvel auch im Kino zu wiederholen, trägt bisweilen erstaunliche Früchte, und so dürfen wir Deadshot, Harley Quinn & Co. eben auch auf der Leinwand bestaunen. Das Ergebnis ist ein eher gemischtes Vergnügen, was aber jeder für sich selbst beurteilen möge. Auf den gezeichneten Seiten funktioniert die Suicide Squad in jedem Fall prächtig. Die bunte Truppe, die John Ostrander bereits Ende der 80er Jahre ersann (wobei der Kollege seinerseits auf einige Backup-Stories aus „The Brave And The Bold” aus den 60ern zurückgriff), kombinierte Elemente des Söldnerkinoheulers „Das dreckige Dutzend” mit der Fernsehserie „Mission Impossible”. Diese kultige Idee hangelte sich seitdem in meist kurzlebigen Miniserien und Gastauftritten über stetig neue Besetzungen mit den Konstanten Amanda Waller, Rick Flag, Deadshot, Captain Boomerang und Count Vertigo bis ins Jahr 2014, als Sean Ryan die Autorenfäden in die Hand nahm und die Serie als „The New Suicide Squad” neu gestartet wurde.
Die Idee, auch in den Führungsetagen der Regierung Kompetenzrangeleien einzuführen, zeitigt hier einige interessante Konflikte und bewusste Zusammenführungen ähnlicher Figuren (Deadshot/Deathstroke, Harley Quinn/Jokers Tochter), wodurch die Flut kaum mehr zu unterscheidender Charaktere (bei der DC keinen Deut besser oder schlechter als Marvel ist) ironisch kommentiert wird. Spiel und Spaß geht in erster Linie von Harley Quinn aus, die in der ersten Storyline „Pure Insanity“ frontal auf Jokers Tochter losgeht, die ihr die Rolle als Gefährtin von „Mr. J“ streitig macht. In der zweiten Geschichte „Defective“ ist es dann der großmäulige Boomerang, der den ironisch-süffisanten Touch bringt. Insgesamt liegt der Fokus in beiden Stories klar auf einer forsch voranschreitenden Action, kleinere Seitenhiebe dürfen vorkommen, aber von einer dekonstruktivistischen Genre-Kommentierung eines Deadpool oder der anarchischen Komik der Guardians ist diese Truppe weit entfernt, obgleich das Potential zu einer ähnlichen Brillanz ja durchaus angelegt wäre. Atemlos geschrieben und stimmig gezeichnet, macht das fliegende Suizid-Kommando aber in jedem Fall Laune und bietet für Einsteiger und erstaunte Kinobesucher einen wunderbaren Startpunkt. (hb)
Die neue Suicide Squad, Band 1: Das Phantom-Kommando
Text: Sean Ryan
Bilder: Jeremy Roberts, Thomas Derenick, Vicente Cifuentes
188 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
16,99 Euro
ISBN: 978-3-95798-908-6