Gealterte Söldner und Abenteurer haben so einiges er- und überlebt, wovon sie berichten können. So geht es auch den Mitgliedern der Old Guard. Nur: sie altern nicht, sind unsterblich und haben bereits mehrere hundert oder gar tausend Jahre auf dem Buckel, der dennoch gerade ist wie bei einem Jungspund. Was uns zum zweiten Punkt bringt, der direkt aus Unsterblichkeit folgt: Zeit. Zeit hat kaum eine Bedeutung mehr, wenn man ewig lebt, bis auf eine: Tragik. So muss man als Unsterblicher machtlos zusehen, wie Freunde und die Liebsten altern und vergehen. Beides, Unsterblichkeit und die Zeit sind dann auch die vorherrschenden Themen der Kurzgeschichten in diesem Band, der nicht die reguläre Fortsetzung der von Netflix auch verfilmten Reihe darstellt, sondern vielmehr Solo-Episoden der einzelnen Old Guard Mitglieder schildert. Denn auch in der Ewigkeit braucht man ab und an etwas Zeit für sich.
Zwölf Geschichten haben sich so angesammelt, die im Original bei Image Comics in sechs Ausgaben erschienen sind, gestaltet von wechselnden Autoren und Zeichnern, aber eingerahmt von Storys der beiden Old Guard-Väter Greg Rucka und Leandro Fernández. Die erzählen zuerst die Geschichte der schon längst antiken Labrys, der Doppelaxt von Andromache/Andy, und deren besondere Beziehung zu ihrer Waffe, die längst ihr Markenzeichen ist. Und am Ende präsentieren sie als eine Art Teaser eine ganz neue Figur im Spiel, die sicher in der regulären Fortsetzung der Reihe noch eine Rolle spielen wird. Weitere Comic-Größen sind u.a. das Powers-Team Brian Michael Bendis und Michael Avon Oeming, das eine unerwartete wie rührselige Begegnung mit Andy schildert, deren Vorgeschichte an einem Ort der dritten Flandernschlacht im Ersten Weltkrieg spielt, der bereits von Iron Maiden besungen wurde („Passchendaele“).
Jason Aaron und „American Vampire“ Zeichner Rafael Albuquerque erzählen eine skurril-amüsante Episode aus den 1970er Jahren mit Booker im Mittelpunkt – und einem militanten wie nicht ganz moralisch einwandfreien Nonnen-Orden („Eine alte Seele“). In „Wie man eine Geisterstadt erschafft“, wieder mit Andy, wird der Titel zum Programm, geschrieben von Matt Fraction (u.a. „Hawkeye“) und gezeichnet von Steve Lieber („Whiteout“ u.a.). Das Unsterblichkeits-Motiv und dessen Einsatz als Waffe treibt ein Beitrag auf die Spitze, der im amerikanischen Bürgerkrieg spielt und in dem Nicky im Mittelpunkt steht („Liebesbriefe“). Überhaupt sind die einzelnen Stories sehr abwechslungsreich angelegt, nicht nur im Zeichenstil. Zeit und Unsterblichkeit sind zwar immer die treibenden Faktoren, werden jedoch höchst originell und unterschiedlich eingesetzt, so auch visuell als Stilmittel („Bonsai Shokunin“). Am Ende sind die Cover der einzelnen Hefte abgedruckt, wunderbar gestaltet von Leandro Fernández, sowie eine Kurzvorstellung aller beteiligten Künstler. (bw)
The Old Guard, Band 3: Zeitlose Geschichten
Text: Greg Rucka, Brian Michael Bendis,
Matt Fraction, Jason Aaron u.a.
Bilder: Leandro Fernández, Michael Avon Oeming,
Steve Lieber, Rafael Albuquerque u.a.
184 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
25 Euro
ISBN: 978-3-96219-080-4