Nachdem sich die Old Guard von Booker nach dessen Verrat für die nächsten hundert Jahre verabschiedet hat, macht die Truppe der Unsterblichen weiter wie gehabt und bekämpft allerorts Schurken und ähnliches Gezücht. Auf unnachahmliche Art und Weise, denn wie gesagt – sterben ist nicht. Auch Neuzugang Nile Freeman ist inzwischen voll integriert. Aktuell hat man es auf Menschenhändler abgesehen. Als die Old Guard unter der bewährten Führung von Andy (früher Andromache und mit fast 7000 Lenzen die Seniorin) wieder zuschlägt, begegnet sie unvermittelt ihrer Vergangenheit: denn plötzlich steht Noriko, Andys einstmals große Liebe vor ihr, die vor einigen Jahrhunderten auf hoher See über Bord gespült wurde und seitdem als verschollen galt (tot ist ja bekanntlich schwierig). Eigentlich ein Grund zur Freude, möchte man meinen, doch Noriko, verbittert durch ihren schier endlosen Leidensweg, hat das Lager gewechselt und mischt nun ganz groß im organisierten Verbrechen mit. Und sie hat sich Booker geschnappt…
Fast drei Jahre nach dem Auftakt ist nun endlich der zweite Band der Reihe erschienen. Inzwischen gibt es sogar eine nicht gänzlich gelungene Verfilmung, wodurch Netflix-Guckern die Überraschung über das Auftauchen Norikos, die im ersten Teil kurz erwähnt wird, hier leider gründlich vermasselt wird. Andys einstmalige große Liebe avanciert gleich zur veritablen und ebenbürtigen Gegenspielerin der Old Guard in bester Superschurkenmanier. Sie verfügt zwar über keine unsterblichen Mitstreiter, kann dafür auf eine ganze Verbrecher-Organisation zurückgreifen. Noriko ist nicht nur verbittert, sondern hat einen Hass auf die Menschheit entwickelt, bedingt durch Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte unter Wasser, wo ihr ständige Sterben und „neugeboren“ werden auf einen schier ewigen Zyklus von wenigen Sekunden komprimiert war. Eine wahrhaft beklemmende Vorstellung – der sich in einer besonders eindringlichen Szene auch Andy stellen muss. Aber, wie Nicky treffend bemerkt, „in der Vergangenheit gelitten zu haben rechtfertigt nicht, in der Zukunft anderen Leid zuzufügen“. Weshalb man Noriko stoppen muss.
Rund um das unerwartete Wiedersehen mit Noriko und der Rettung Bookers, was im Zentrum des Bandes steht, erweitert Autor Greg Rucka die Geschichte der Unsterblichen um diverse Nebenschauplätze. Nile versorgt Agent Moose mit Infos und erlebt eine erste Liebesgeschichte und auch Copley, Ex-CIA, mischt wieder mit, da er einiges in Bezug auf die Old Guard gut zu machen hat. Dazu gesellen sich wieder diverse Historien-Rückblicke, in denen Andy im Mittelpunkt steht. Natürlich präsentiert Zeichner Leandro Fernández auch brachial choreografierte Action, ob Schießereien oder Metzeleien. Schließlich erfährt Andy eine nicht ganz schlüssige, etwas konstruierte Läuterung samt Cliffhanger und Greg Rucka informiert, dass es einen abschließenden dritten Band geben wird – aber bitte nicht erst in drei Jahren. Fazit: nicht ganz so gut wie der Erstling. Am stärksten ist der Nachfolger – abseits der Action und des Sarkasmus‘ in der Story – wenn die Akteure, allen voran Andy, über ihr Schicksal reflektieren und müde sind vom ewigen Leben. Unsterblich zu sein bedeutet auch früher oder später Einsamkeit. Denn wie sagte schon Woody Allen: Die Ewigkeit dauert lange, besonders gegen Ende. (bw)
The Old Guard, Band 2: Konzentrierte Kräfte
Text: Greg Rucka
Bilder: Leandro Fernández, Daniela Miwa (Farben)
168 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
25 Euro
ISBN: 978-3-96219-079-8