Hawkeye Megaband 1 (Panini)

August 17, 2014

Hawkeye Megaband 1

Dein Kumpel, der Superheld von nebenan. Ein ganz normaler Typ mit ganz normalen Problemen. Eine Beschreibung, auf die früher Spider-Man abonniert war. Jetzt überrascht Marvel mit der neuen Hawkeye Serie, indem sie den Bogenschützen der Rächer mit genau diesen Eigenschaften ausstattet.

Clint Barton, alias Hawkeye, geschaffen von Stan Lee (von wem sonst) bevölkert bereits seit 1964 das Marvel Universum. Zuerst als Bösewicht und Querkopf vorgestellt, wurde er bald Mitglied der Rächer, spielte dort – wie in den Comics – aber nie die erste Geige, obwohl er später auch die Thunderbolts anführte. Das änderte sich mit seinen Auftritten im Marvel Cinematic Universe (Thor und Avengers). Man wagte eine neue Comicserie, die einen ungewöhnlichen Weg einschlug. Hawkeye wurde zum Superhelden von nebenan (dabei ist er einer der wenigen Helden ohne Superkräfte – ähnlich Batman ist er ‚lediglich’ talentiert und gut ausgebildet worden). Ein Nomalo, der in einem Mietshaus in einer nicht gerade vornehmen Ecke wohnt, der gemeinsam mit anderen Mietern auf dem Dach grillt. Und die nehmen sein Superhelden-Dasein so gar nicht ernst – die Hawkguy Gespräche mit seinem Nachbar Grills sind zum schießen.

Clint verzichtet auf ein Kostüm und den üblichen Superhelden-Schnickschnack. Zwar übernimmt er auch mal einen Job für S.H.I.E.L.D., schlägt sich aber sonst kaum mit Superschurken herum. Vielmehr liegt er im Clinch mit der örtlichen Russen (alle in wunderbaren Klischee-Trainingsanzügen), die ihn aus dem Haus haben wollen und deren eingeschränkter Wortschatz sich ausschließlich rund um das Wort Bro konzentriert (Bro. Nee, nä. Bro.), was wie ein Running Gag funktioniert. Ein Streit, der im Laufe des Bandes noch eskalieren wird. An Hawkeyes Seite finden wir oft Kate Bishop, ebenfalls ein As im Bogenschießen, die sich auch Hawkeye nennen darf, seit sie Mitglied der Young Avengers ist. Das Verhältnis zwischen beiden ist noch unklar. Will er? Will sie? Oder nicht? Überhaupt, die Frauen. Kaum lässt sich Clint mit der attraktiven wie dubiosen Darlene ein, die eine Art Femme Fatale Rolle übernimmt, bekommt er es mit seinen Verflossenen zu tun: Black Widow, Spider-Woman und seine Ex-Frau Mockingbird (auch alle in zivil) bringen sein Leben noch mehr durcheinander, als es für einen Durchschnitts-Superhelden eigentlich gut ist.

Viele, viele originelle Stilmittel machen zudem die hohe Qualität des Bandes aus. Fast jede Story beginnt mit den Worten „Das sieht übel aus“. Der Leser ist dann sofort mitten im Geschehen, hat aber noch keine Ahnung, um was es genau geht. Dann gibt es oft Zeitsprünge und eine verschachtelte Erzählweise, die den Leser angenehm fordert. Einmal haben wir fiktive Cover alter Romance Comics, die in die Geschichte eingebunden sind, dann immer wieder ungewöhnliche Seiten-Layouts, von Stakkato mäßig angeordneten Panels bis zu großen weißen Flächen zwischen einzelnen Bildern. Und immer wieder der leicht skurrile Humor in den Dialogen (Beispiel: als Clint Besuch von Tony Stark bekommt und man vergeblich versucht, den DVD-Player anzuschließen). Der Clou ist die letzte Geschichte, die ohne eigentlichen Text auskommt und in der Clints einäugiger Hund Arrow (!) die Hauptrolle spielt. Eben diese besonders originelle Geschichte wurde dann auch mit dem Eisner-Award – quasi dem Comic-Oscar – bedacht.

Die Zeichnungen des Spaniers David Aja (der sieben der elf US-Hefte in diesem Band zeichnet und dessen Cover ebenfalls mit einem Eisner-Award prämiert wurden) sind zwar nicht sonderlich detailliert, aber äußerst markant, mit einem kräftigen schwarzen Strich, damit sehr ausdrucksstark und stehen in der Tradition von David Mazzuchelli (zu Zeiten von Batman: Year One und Stadt aus Glas) oder auch von Alex Maleev, der die Daredevil Reihe in jüngster Zeit prägte. Comics mit Hawkeye im Titel sind in Deutschland rar gesät. Genau genommen gibt es nur einen einzigen von 2012 aus dem Ultimate Universum, geschrieben von Jonathan Hickman (die Suche nach dem Band auf der Börse des Comic-Salons in Erlangen ist legendär). Dass sich ausgerechnet hinter einem der dicken Megabände ein solches Juwel verbirgt, würde man auf dem ersten Blick nicht vermuten. Dem ist aber so und dem lassen wir daher gerne eine uneingeschränkte Leseempfehlung für alle Superhelden-Fans folgen, die auch mal etwas anderes aus dem Genre lesen wollen, als epische, Universen umspannende Kloppereien, bei denen stets das Schicksal der Erde auf dem Spiel steht. Hier ist es nur das eines Einzelnen. (bw)

Hawkeye Megaband 1: Mein Leben als Waffe
Text: Matt Fraction
Bilder: David Aja, Javier Pulido, Steve Lieber, Annie Wu, Francesco Francavilla
244 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
24 Euro

ISBN: 978-3-95798-011-3

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