Edward der Große war auch schon besser in Form. Reichlich lädiert hängt er an einen Baum gekettet herum und fragt sich, wie zur Hölle er denn hier hingeraten ist. Das beantwortet ihm alsbald eine herbeischwebende Holde, die sich als Clairvoyant, also die Hellseherin vorstellt. Dem fiesen Beast ist Eddie ein Dorn im Auge, denn der Wüterich steht für Kreativität, Freiheit und Individualität, was natürlich doof ist, wenn man die Menschheit ordentlich unterdrücken will. Also hat sich Beast flugs die Seele von Eddie geklaut und unter seinen Vasallen verteilt, während er sich selbst in der Energie Eddies sonnt. Das geht natürlich gar nicht an, und so nimmt die Clairvoyant-Dame unseren Recken mit auf eine wilde Fahrt, um seine Seelensteine wieder zu holen. Erste Station dabei ist das „Ailing Kingdom“, in dem wilde Gestalten offenbar diversen Naturkulten huldigen.
Eddie lässt sich aber nicht schrecken und macht auch dem Anführer, einem wandelnden Bastkörbchen, rabiat den Garaus. Punkt für unseren Helden, weiter geht’s auf den Mond, wo er erst einmal eine Runde Bass spielt und sein Konterfei hinterlässt, bevor dann im „Kingdom of Sand“ die nächste Herausforderung wartet: auch der Falkengott Horus ist dem Einfluss von Beast verfallen. Seine Mutter Isis bittet Clairvoyant um Hilfe, die Eddie auch prompt liefert: Horus ist zwar tot, aber befreit, und Eddie schnappt sich ein schmuckes Pharao-Mützchen. Auf dem „Eternal Battlefield“ verbünden sich die beiden Kämpfer dann in einem Word War I-Ambiente mit einer britischen Cyborg-Truppe gegen den bösen Axis General, der sein wahres Monster-Gesicht zeigt, aber irgendwann auch in den Orkus fährt. Dorthin begeben sich dann auch unsere beiden Freunde, um in der „Underworld“ den ultimativen Kampf mit dem „Beast“ und dann auch seinem Cheffe, dem „Unmaker“, aufzunehmen…
Die unbestreitbar beste Band der Welt ist ja immer für ein ordentliches Spektakel gut und kredenzte uns schon 1998 mit dem PC-Game „Ed Hunter“ eine launige Fahrt durch ihre Diskographie, die als Spiel zwar durchaus Kritik einstecken musste (etwas zu wenig ausgefeilt war die Sache für die Afficionados wohl), die aber in Begleitung zur gleichnamigen Tour entstand, auf der die englischen Recken endlich wieder in der lange ersehnten Besetzung mit den Herren Dickinson und Smith auftraten. Nach diversen „History-Tours“, auf denen Iron Maiden dann immer wieder in unterschiedliche Phasen ihrer reichhaltigen Geschichte griffen (man denke nur an die legendären „Somewhere Back in Time“ und „Maiden England“-Sets) legte man dann 2018 unter dem Konzept „Legacy Of The Beast“ nicht nur die Idee zu einer weiteren Mammut-Tournee vor, sondern ließ zunächst einmal ein weiteres Spiel auf die Fangemeinde los, das sich – ganz zeitgemäß – auf dem Mobiltelefon der jeweiligen Wahl erleben lässt. In diversesten Levels tritt der gute Eddie gegen unterschiedliche Lumpensöhne an, wobei Charakter und Umgebung jeweils vom Maiden-Kanon inspiriert sind.
Der Live-Tross bewegte sich dann ebenfalls unter diesem Motto mit einer wahrlich stellaren Setlist inkl. Spitfire in Originalgröße auf der Bühne um die Welt, bis dann aus sattsam bekannten Gründen leider Schicht auf dem Bühnenschacht war. Auf dem Handy ging die Chose lustig weiter, mit immer neuen Charakteren und auch Kollaborationen (so etwa gaben sich auch Amon Amarth und Cristina Scabbia die Ehre), allerdings immer auch mit der Kritik, dass man in der free version kaum weiterkommt und gerne Zusatzkräfte und –waffen kaufen darf. Aber auch multimedial wurde Eddies Vermächtnis ausgebreitet: in der Form der gleichnamigen Miniserie legten Llexi Leon (seines Zeichens Gamer, Rocker und Regisseur des Maiden-Videos „Speed Of Light“) und Ian Edginton (u.a. Vampirella, Batman) auch gemeinsam mit Zeichner Kevin J. West eine Comic-Version vor, in der Eduard sich pro Heft durch einen Level bolzt.
Dabei erleben wir wie im Spiel auch verschiedenste Szenarien, die alle Freunde der britischen Könige bestens kennen: angefangen vom Wicker Man (dem auch seine Jünger mit Tiermasken zugesellt sind, die direkt aus dem gleichnamigen Horrorfilm mit Christopher Lee entlehnt sind, der auch den Song inspirierte) über das Moonchild, das Powerslave-Szenario mit dem aufsteigenden Horus bis über die verwüstete Kriegslandschaft von „A Matter Of Life And Death“ ist alles am Start, immer natürlich inklusive dem getreulich inszenierten roten Dreizack-Schwinger von „The Number Of The Beast“, von dem auch der Prisoner mit der Nummer 6 nicht fehlen darf.
Humorig geht es ebenfalls zu, so etwa als die Clairvoyant (entlehnt von der „Seventh Son“-Konzeptscheibe) fragt, ob Eddie immer so schlecht gelaunt ist und dass sich die Verschwörungstheoretiker doch gerne am Eddie-Bildnis auf den Mondbergen die Zähne ausbeißen sollen. Die Storyline – die Welt ist unterdrückt à la The Wall, aber der Metal in Form von Eddie bietet Rettung – ist natürlich wenig mehr als ein Macguffin, der die unterschiedlichen Levels zusammenhält, aber bei einem Game-Comic geht das völlig in Ordnung, zumal die optische Inszenierung immer wieder klassische Maiden-Szenen evoziert, was ja der eigentliche Spaß ist. Insofern eine lustige Veranstaltung für alle Freunde der eisernen Jungfrauen, denen mit dem neuen Studioalbum „Senjutsu“ ja gleich ein weiteres Fest winkt. (hb)
Iron Maiden: Legacy oft he Beast
Text: Llexi Leon, Ian Edginton
Bilder: Kevin J. West
144 Seiten in Farbe, Softcover
Heavy Metal Magazine
ab ca. 9 Euro
ISBN: 978-1-9477-8407-9