Aufregung bei den ex-Helden von Spiral City: da kommt in Form von Lucy, der Tochter des dahingeschiedenen ehemaligen Anführers Black Hammer, doch tatsächlich Besuch aus der Außenwelt, die hinter dem tödlichen Energiefeld eigentlich verloren schien. Die aufkeimende Hoffnung, doch noch aus der seltsamen Parallelwelt entfliehen zu können, erweist sich als trügerisch: Lucy kann sich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern, wie sie das Dimensionstor überwunden hat, hinter dem die ehemaligen Kämpfer offenbar gefangen sitzen. Lucy – ganz die investigative Reporterin – beginnt damit, sich in Rockwood umzusehen, und macht dabei erstaunliche Entdeckungen: irgendwie künstlich wirkt das alles, Personen und Gesten scheinen sich identisch zu wiederholen – und in den Büchern zur Stadtgeschichte, die sie in der Bibliothek studieren will, finden sich nur leere Blätter.
Ganz andere Sorgen haben dabei die vormals strahlenden Helden: Abe Slam findet es gar nicht amüsant, dass seine Geliebte Tammy von ihrem ex-Mann bedroht wird. Aber bevor er handgreiflich werden kann, nimmt ihm Lady Dragonfly in bester X-Files-Horror-Manier die Arbeit ab – mit dem durchaus unerwünschten Ergebnis, dass sich Tammy von ihm abwendet. Genauso wenig rund läuft es beziehungstechnisch bei Mark Markz, dem Krieger vom Mars, der in seiner menschlichen Gestalt zarte Gefühle für den Ortspfarrer entwickelt – der davon aber mitnichten etwas wissen will und Mark sogar der Kirche bzw. des Feldes verweist, als der ihm Avancen macht. Die im Körper einer frühreifen Göre gefangene Golden Gail versucht ihrem Exil ein freiwilliges Ende zu bereiten, was der Marsianer gerade noch zu verhindern weiß – und vollends verstrahlt schließlich scheint der in die Para-Zone driftende Colonel Weird, der die Versuche seines alten Kumpels Walky Talky, immer neue Drohnen zu fabrizieren, um die Außenwelt zu kontaktieren, rabiat sabotiert und seinen mechanischen Weggefährten kurzerhand zu Schrott schießt. Jede Menge Sprengstoff, Verzweiflung und Dysfunktion also, aber mit dem „Ereignis“, das sie ereilt, als Lucy endlich ihre Bestimmung entschlüsselt, hätte wohl keiner von ihnen gerechnet…
In seiner furiosen Superhelden-Hommage holt Jeff Lemire mit dem sprichwörtlichen Hammer immer weiter aus: neben der zunehmend mysteriösen Haupthandlung, in der die unfreiwilligen Farmbewohner in einer Art Stepford Wives-Szenario mit ihrem Schicksal hadern und jeweils individuelle Rückschläge einstecken müssen, breitet Lemire in Flashbacks Details zu den Geschehnissen aus, die die Exilhelden bis in die Gegenwart beeinflussen. Abe Slam etwa sah sich vor der entscheidenden Schlacht gegen Anti-Gott schon beim alten Eisen, verspottet von der jugendlichen Y-Force, die sich über seine marode neue Rüstung mokierte und ihm gegen Mud Master den Hals retten musste. Ebenso erfahren wir, wie der biedere Joseph Weber von einem sterbenden Kostümierten einen Hammer übernahm, der ihn schnurstracks nach Neuwelt katapultierte, wo ihn der Herrscher Starlok für die Truppe der Lightrider engagierte. Mit dieser Origin verneigt sich Lemire in einer gekonnten Melange vor Thor und Green Lantern zugleich – der Hammer (ersetzt hier den Ring eines sterbenden Kämpfers fürs Universum) verwandelt Weber in Black Hammer, wie dereinst in „Journey Into Mystery“ 83 von 1962 ein alter Stock aus dem gehbehinderten Don Blake den Donnergott selbst machte.
Starloks Truppe, bestehend aus dem Escaper, der Kriegerprinzessin Whiptara, Timeboy und dem Hund Warpie, ruft die Inhumans ebenso auf wie Stan Lees Asen oder die Legion der Superhelden, die über das Universum wachen. Starloks böses Alter Ego, der als Anti-Gott die Welten zu vernichten trachtet, erscheint wie eine wüste Mischung aus Thanos, Galactus und Darkseid, wie auch das ganze Konzept der Neuwelt durchaus an die New Gods eines Jack Kirby und die Welten des „kosmischen“ Schreiberlings Jim Starlin erinnert. Bodenständiger sind da schon die Frustrationen, die Lemires Version des Martian Manhunter ertragen muss: schon in Spiral City eckte Mark Markz aufgrund seiner sexuellen Orientierung an und verließ die Erde, was sein Erleben in Rockwood zum Deja Vu macht. Golden Gail wollte der ganzen Heldenchose ihrerseits Lebewohl sagen und mit ihrem geliebten Feind Sherlock Frankenstein endlich der trauten Zweisamkeit frönen – allein, der Frieden ist ihnen nicht vergönnt, als Starlok (ganz in Infinity War und Secret Wars-Manier) die Helden der Erde als letztes Aufgebot gegen Anti-Gott zusammenruft.
So verbinden sich intergalaktische Konflikte mit zutiefst menschlichen Schicksalen, was ja stets das Kennzeichen bester Comic-Kunst darstellt. Auch optisch liefern Dean Ormston und David Rubin wieder eine Meisterleistung ab, die verschiedene Stile gekonnt evoziert, vor allem die Pulp-Ästhetik der 40er, in denen die Episode um Colonel Weird gestaltet ist. Auch die Cover der einzelnen Hefte stehen jeweils im Stil der enthaltenen Schwerpunkt-Figur, von den klassischen EC-Varianten über die seligen DC-Team Ups bis hin zur Shazam-Verneigung in den Golden Gail-Kapiteln. Somit eine atemlose, faszinierende Weiterführung eines unschlagbaren Konzepts, das Jeff Lemires Status als derzeit wohl facettenreichster Autor der Szene weiter zementiert. Der vorliegende Band enthält die Dark Horse Hefte „Black Hammer“ 7-13, die im Original auch schon als Sammelband „Black Hammer Volume 2: The Event“ erschienen, ergänzt um einen reichhaltigen Anhang mit Skizzen, bei denen vor allem der Cover-Entwurf im Stile eines Frank Miller zu Zeiten von „The Dark Knight Strikes Again“ beeindruckt. (hb)
Black Hammer, Band 2: Das Ereignis
Text: Jeff Lemire
Bilder: Dean Ormston
176 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
24,80 Euro
ISBN: 978-3-96219-082-8