Paris im März 1942. Eigentlich wollte Privatdetektiv Nestor Burma im Südwesten der besetzten Stadt nur den selten gewordenen Pfeifentabak erstehen. Und stolpert dabei prompt über einen Mord, der bei ihm mal wieder seinen aufklärerischen Ehrgeiz auslöst: Kurz vor einem Bombenalarm stürmt eine rothaarige junge Frau aus einem Haus, in dem später das Opfer gefunden wird. Inspektor Faroux untersucht den Fall. Und der findet es höchst seltsam, dass sich ausgerechnet Burma in der Nähe des Tatortes blicken lässt. Burma ermittelt auf eigene Faust und stößt dabei erneut auf die attraktive wie windige Rothaarige namens Lydia Verbois. Und auf einen spektakulären Eisenbahnraub, bei dem 1938 eine Ladung Gold aus Südafrika geraubt wurde. Denn der Tote war an dem Überfall beteiligt. Während sich Burma quer durch Paris von Spur zu Spur hangelt und versucht, das komplexe Geflecht der beteiligten und verdächtigen Personen zu entwirren, präsentiert die Polizei mit dem kleinwüchsigen Zirkusclown McGuffin (!) den vermeintlichen Mörder. Doch Burma hat da seine berechtigten Zweifel…
Nestor Burma und seine Agentur Fiat Lux – zwei Namen, die Freunde anspruchsvoller franko-belgischer Comickunst in Verzückung geraten lassen. War es doch Jacques Tardi, der den von Krimi-Autor Léo Malet (1909-1996) erdachten Privatdetektiv noch zu dessen Lebzeiten diverse Comic-Adaptionen gönnte. Am berühmtesten ist wohl der allererste Burma-Roman „120, Rue de la Gare“, der auch bereits 1946, drei Jahre nach Erscheinen verfilmt wurde und der als Comic einen modernen Klassiker darstellt. Nachdem Tardi noch diverse andere Malet-Romane umsetzte (u.a. „Die Brücke im Nebel“, „Wie steht mir Tod“), die auf Deutsch bei der Edition Moderne veröffentlicht wurden, übernahmen Nicolas Barral („Baker Street“) und Emmanuel Moynot dessen Job. Von Barral erschienen – nun im Verlag Schreiber & Leser – zwei Bände und jetzt liegt mit „Nestor Burma in der Klemme“ bereits die vierte Malet- bzw. Burma-Adaption von Moynot vor. Dabei adaptierte dieser (wie auch Barral) nicht nur die Romane, sondern bemerkenswerterweise auch den Zeichenstil Tardis, leicht variiert und in angenehme Farben getaucht, weshalb sich „Alt-Leser“ problem- und übergangslos bei den neuen Malet/Burma-Comics zu Hause fühlen konnten und können.
Mit „Nestor Burma in der Klemme“ (geschrieben 1945) ist nun der zweite Roman von Léo Malet, der den Privatdetektiv zur Hauptfigur hatte, als Comic/Graphic Novel erschienen (in der Noir-Reihe, in der im Buchformat bereits Bände wie „Perico“, „Fatale“ oder „Marilyn the Wild“ vertreten sind). Mittlerweile hat sich ein festes Figuren-Ensemble etabliert: neben Burma sind das dessen Sekretärin Helene, Kommissar Faroux, der Reporter Covet und Burmas Assistent Reboul. Dazu gesellt sich eine Vielzahl an Verdächtigen, zwielichtigen Gestalten, die oft nicht diejenigen sind, die sie behaupten zu sein (das Personenregister am Anfang des Bandes hilft tatsächlich). Nach und nach, meist aufgrund der untrüglichen Spürnase Burmas, wühlt sich dieser durch den Fall und stellt Beziehungen her, die dem Leser noch verborgen sind (erzählt wird in der Ich-Form). Dabei zeichnet sich Burma durch Furchtlosigkeit, stoische Ruhe und Geduld aus, wobei er sich mit Mantel und Hut als europäischer Verwandter von Philip Marlowe und Sam Spade ganz im Sinne der Schwarzen Serie präsentiert.
Der Band entwickelt sich von Beginn an zu einer munteren Detektivgeschichte, die von ihrem schnoddrig bestimmten Hauptakteur und der geheimnisvollen Femme Fatale lebt. Das alles vor dem geschichtlichen Hintergrund des besetzten Paris‘, das Malet zeitgenössisch aus erster Hand beschrieb, und das als heimlicher dritter Hauptdarsteller glänzt. Zahlreiche Wendungen und unerwartete Entwicklungen sorgen dabei für maximale Abwechslung beim Leser. Am Ende ist der Fall gelöst, wie immer logisch und unspektakulär. Burma heimst keinen Ruhm ein, trotzdem wird es persönlich, denn das Schicksal meint es nicht gut mit ihm. Aber wir greifen vor und laden jeden ein, Burma bei seinem kniffligen Fall zu begleiten. Es lohnt sich. (bw)
Nestor Burma in der Klemme
Text: Emmanuel Moynot, nach Léo Malet
Bilder: Emmanuel Moynot
72 Seiten in Farbe, Hardcover
Verlag Schreiber & Leser
18,80 Euro
ISBN: 978-3-946337-37-9