Fatale (Schreiber & Leser)

Dezember 14, 2014

Fatale (Schreiber & Leser)

Frankreich in den Siebzigern. In dem (fiktiven) Provinzstädtchen Bléville taucht eine Fremde auf. Sie scheint vermögend zu sein. Äußerst attraktiv, unnahbar, mondän. Und mörderisch. Ihr Name ist Aimée Joubert. Für dieses mal. Denn sie ist eine Killerin, eine Schwarze Witwe der Gesellschaft, die sich in das Bürgertum einschleicht, mordet, sich mit viel Geld aus dem Staub macht und ihr nächstes Opfer in einem anderen Ort sucht. So auch in Bléville. Schon bald verkehrt sie mit den Einflussreichen der Stadt, mit Anwälten, Industriellen, Notaren. Geduldig wartet sie ab, beobachtet. Und sie lernt den schrulligen und verarmten Baron Jules kennen, der viel über eben jene Honoratioren zu wissen scheint. Als ein Lebensmittelskandal auffliegt, der mehrere Tote fordert, scheint ihre Stunde gekommen.

Fatale – nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen US-Serie von Sean Phillips und Ed Brubaker – ist eine Comic-Adaption des Romans von Jean-Patrick Manchette, der 1995 früh im Alter von 53 Jahren starb. Manchette war nicht nur ein bedeutender Krimi-Noir-Autor. Er schrieb auch Drehbücher, Filmkritiken und übersetzte Alan Moores Watchmen ins Französische. Comicleser kennen ihn von seiner Zusammenarbeit mit Jacques Tardi (u.a. Der Schnüffler, dt. bei Edition Moderne). Für diese Manchette-Adaption – die zweite nach Blutprinzessin (auch bei Schreiber & Leser) – tat er sich wieder mit Doug Headline zusammen, ein Pseudonym, hinter dem sich Manchettes Sohn Tristan Jean verbirgt.

Der traditionell linksgerichtete Manchette lässt seine Protaginistin die Bourgeoisie entlarven, die sich auch nicht anders benimmt als das gemeine Volk. Mühelos, mit Geld, Finesse und Rhetorik schleicht sich Aimée in das Bürgertum ein. Doch sie tut sich diesmal schwer. Keine gehörnte Ehefrau, die ihrem Mann beseitigen will. Kein reicher Geschäftsmann, der sich rächen mag. Seltsam, gibt es doch sonst immer jemanden, der jemanden los haben will. Stattdessen fasst sie einen gewagten Plan, indem sie einfach alle prellt. Doch die Sache geht gehörig schief. Sie ist gezwungen, in einem langen, düsteren Finale, an denen, sie sich rächen wollen, selbst Rache zu üben.

Aimée bleibt ein Mysterium. Ihre Motive, ihr Antrieb bleiben weitgehend im Dunklen, nur einmal wird sie weich. Sie lässt sich auf keine Liebschaft ein, bleibt unnahbar, obschon die Männer von ihr fasziniert sind. Wir erfahren von einem brutalen Ehemann und von der in ihr gereiften Erkenntnis, dass sich Probleme ohne weiteres mit dem Tod lösen lassen, mag er denn wie ein Unfall aussehen. Wie sie beobachtet auch Baron Jules seine Mitmenschen, macht ihre Schwächen aus, entdeckt dadurch ihre Leichen im Keller. Doch anders als Aimée belässt er es beim beobachten, bleibt passiv. Bis die Femme Fatale auftaucht und ihn für ihre Intrigen einspannt. Eigentlich ist er für sie ein Bruder im Geiste. Entsprechend schwer fällt es ihr, später die Waffe gegen ihn zu richten.

Die Umsetzung besorgt Max Cabanes, der schon ganz lange erfolgreich im Geschäft ist – er bekam 1990 den Großen Preis in Angouleme. Schon lange gibt es auch von ihm Comics auf Deutsch – bereits 1983 war er – mit einem noch ganz anderen Stil – in Pilot vertreten. In herrlich realistischen, wohl direkt kolorierten (wenn mit Computer, dann gut gemacht) Panels schafft er eine zum Thema passende Atmosphäre. Aimée ist hübsch und verführerisch dargestellt (obwohl sie dieses ‚Talent‘ nicht einsetzt). Das nächtliche Finale erzeugt eine finstere und bedrohliche Stimmung. Dazu passend auch die nüchternen Worte und Sätze des allwissenden Erzählers. Als Noir Story rechnet man natürlich mit einem schlechten Ende. Ob es tatsächlich so kommt, liegt im Auge des Betrachters und bleibt jedem Leser selbst überlassen. Eine Graphic Novel in bester franko-belgischer Erzähl- und Zeichen-Tradition. (bw)

Fatale
Text: Doug Headline, nach Jean-Patrick Manchette
Bilder: Max Cabanes
136 Seiten in Farbe, Hardcover
Verlag Schreiber & Leser
24,80 Euro

ISBN: 978-3-943808-55-1

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