Chief Isaac Seidel ist New Yorks härtester und erfolgreichster Bulle. Er pflegt beste Kontakte zur Mafia und hat sein Revier, die East Side, absolut im Griff. Mit seiner Familie verhält sich das anders. In einer skurrilen Episode fliegt er nach Paris, angeblich um dort seinen Vater zu töten, der dort in Picasso-Manier der Malerei frönt. Und seine Tochter Marilyn, nicht gerade ein Kind von Traurigkeit, kommt ihm ständig abhanden. Wenn er wüsste, dass sie mit seiner rechten Hand Manfred „Blue Eyes“ Coen zusammen ist… Und noch etwas wurmt Isaac: Eine Bande Jugendlicher, die bald Lollipops genannt werden, macht sein Revier unsicher. Sie überfällt scheinbar wahllos und ohne etwas zu klauen Geschäfte, Bars und Personen. Das ist ärgerlich und nicht hinnehmbar. Als die Bande Isaacs Mutter zusammenschlägt und lebensgefährlich verletzt, wird die Sache persönlich. Denn Isaac ist das eigentliche Ziel. Am Ende kommt es während eines Blizzards zum Showdown und fast beiläufig erfahren wir das Motiv der Lollipops.
Der eigentliche ‚Star’ des Bandes (nach Charyns gleichnamigen Roman) ist nicht die laszive, Titel gebende Marilyn, sonder Isaac, den man auch ehrfurchtsvoll den ‚Reinen’ nennt. Der knochentrockene Alpha-Cop wird von seinen Leuten vergöttert. Und neben der Kernhandlung um die Bedrohung durch die Lollipops und bis die Rollen der Nebenpersonen, wie die Italiener oder die Spanischen Juden, geklärt sind, sorgen die lakonischen Dialoge Isaacs immer wieder für Schmunzeln. Ebenfalls dazu bei trägt Manfreds ungelenker wie tumber Kollege Brodsky, der stets polternd durch den Band tapst.
Bemerkenswert auch die Zeichnungen. Kein gerader Strich, keine realistische Ausarbeitung. Die Bilder sind skizzenhaft, überzeichnet und – was die Gesichter betrifft – bisweilen übertrieben. Das mag auf den ersten Blick stören. Ein zweiter Blick offenbart, wie viele Details in den Panels untergebracht sind. Vor allem die Außenansichten New Yorks sind charakteristisch mit all den Shops und Bars und vermitteln samt Reklameschilder und Graffitis ein authentisches Ambiente, wie wir es aus Genrefilmen Hollywoods kennen.
Ein unterhaltsamer, spannender und in jeder Hinsicht schräger Band aus Schreiber & Lesers Noir-Reihe, der jeden Leser für den Kauf belohnt. (bw)
Marilyn the Wild
Text: Jerome Charyn
Bilder: Frederic Rebena
80 Seiten in Farbe, Hardcover im Kleinformat
Verlag Schreiber & Leser
18,80 Euro
ISBN: 978-3-943808-04-9