Holmes und Watson nehmen reiß aus vor Mrs. Hudsons Horror-Frühstück und genehmigen sich eine Völlerei im feinen Fischrestaurant. Mehr als gesättigt werden sie anschließend von einer Horde Chinesen überfallen. Die flößen ihnen literweise Tee ein, während der Teemeister eloquent über die Vorzüge des chinesischen Getränks rezitiert. Zuhause angekommen und Richtung Toilette hetzend, erleben Holmes und Watson ein Déjà-vu. Nur sind dieses mal die Tee-Einflößer Infantile, wie sie Watson nennt: Tamilen aus Ceylon, das heute Sri Lanka heißt.
So geht’s mit Band drei los („Sherlock Holmes und die Kamelienmänner“). Eines der lustigsten Comics der letzten Jahre. Also nicht nur ein Funny (das ist Micky Maus auch – schon mal beim Lesen derselben gelacht?), sondern ein Comic, das mich – gerade zu Beginn – permanent zum Lachen brachte. Eine geniale Mischung aus Slapstick, Situationskomik und Running Gags, liebevoll bis in kleine Details dargebracht (Chong-Li – Italian Food). Natürlich werden die altehrwürdigen Star-Kombinierer Holmes und Watson reichlich verunglimpft und durch den Kakao gezogen. Für manche Tellerrand-Verweigerer mag das gar nicht gehen, alle anderen sollten damit aber kein Problem haben.
Doch wie geht die eigentliche Story weiter? Der Infantilen-Chef entpuppt sich als Mr. Clipton, der in Ceylon sein Erbe antreten und Tee anbauen will. Sein Gegner ist Mr. Teawings. Der will genau das verhindern. Obendrein sieht Clipton Inspektor Lestrade zum Verwechseln ähnlich, bis auf Hautfarbe und Frisur. So machen sich Holmes, Watson, Clipton und Lestrade auf nach Ceylon, verfolgt von Teawings und seinen chinesischen Schergen.
In Band vier (dramatisch „Sherlock Holmes und der Schatten des M“ getauft) geht es dann andersherum. In seinem Testament verfügt Cliptons Onkel, dass dieser binnen sechs Wochen nach England zurückkehren und dort in einem Zirkus als Clown vor den Augen der Königin auftreten muss, um sein Erbe antreten zu können. Also das Ganze retour. Als Dreingabe hat Teawings nun Holmes’ ewigen Widersacher angeheuert: Professor Moriarty. Und Holmes schlägt eine ungewöhnliche Verwirrungstaktik ein. Er arbeitet mit Zufallskarten, die seltsame Aufgaben beinhalten, wie „bietet Watson einen zwölf Jahre alten Pure Malt Whisky an“…
Inspirationsquelle beider Alben ist natürlich Jules Vernes „In 80 Tagen um die Welt“ . Und für Clipton und Teawings standen ganz offensichtlich Lipton Tee (aus Sri Lanka) und Twinings Tee (aus China) Pate…
Die Zeichnungen von Barral (von dem bei Carlsen 2005 die Blake & Mortimer Parodie „Die Abenteuer von Philip und Francis“ erschien) sind äußerst pointiert. Da stimmt jeder Strich, jeder Gesichtsausdruck und jede Grimasse.
Mittlerweile ist die Serie mit Band fünf komplettiert. Band eins und fünf beinhalten kurze oder kürzere Storys, Band zwei eine albenlange Geschichte. Humoriger Höhepunkt der Reihe sind zweifellos die beiden Tee-Episoden. Wahre Fans geben sich erst zufrieden, wenn sie den dazugehörigen, hochwertigen Schuber und den signierten Druck ihr Eigen nennen, der anlässlich von Barrals Besuch auf der Kölner Comicmesse im letzten Jahr aufgelegt wurde. (bw)
Baker Street, Band 3: Sherlock Holmes und der Schatten des M
Baker Street, Band 4: Sherlock Holmes und die Kamelienmänner
Text: Pierre Veys
Bilder: Nicolas Barral
je 48 Seiten in Farbe, Hardcover
Piredda Verlag
je 13 Euro
ISBN 978-3-941279-37-7 (Band 3)
ISBN 978-3-941279-38-4 (Band 4)