IAN (Piredda)

März 26, 2024
Ian Gesamtausgabe, von Fabien Vehlmann & Ralph Meyer (Piredda Verlag)

Noch ziemlich zu Beginn ihrer Karriere gestalteten Fabien Vehlmann und Ralph Meyer im Jahr 2003 gemeinsam den Science-Fiction Vierteiler IAN, der im franko-belgischen Raum bei Dargaud erschienen ist. Während Vehlmann danach mit „Allein“ (was ebenfalls bei Piredda erscheint) und den Spirou Alben mit Zeichner Yoann zum gefragten und angesagten Autor wurde, machte sich Meyer mit seinem realistischen Strich, der in der Tradition eines Jean Giraud steht, u.a. mit dem klassisch gezeichneten Western „Undertaker“ (dt. im Splitter Verlag) einen Namen. IAN gab es bereits auf Deutsch, aber nicht in Album-Form. Und auch nur die ersten beiden Teile der Reihe, die 2004 und 2005 im Zack Magazin abgedruckt wurden – bei den Teilen drei und vier, die in dieser großformatigen Gesamtausgabe nun enthalten sind, handelt es sich somit um deutsche Erstveröffentlichungen.

IAN – ein Kürzel, das für Intelligenz aus Neuromachanik steht, ist ein Roboter, der wie ein Mensch aussieht. Ein Android mit synthetischen Muskeln, menschlichem Hautgewebe und lernfähiger KI. Eine Art Supermensch, jedoch mit Schwächen (die später noch zum wichtigen Thema werden). Entwickelt und gebaut von zwei Wissenschaftlern, den Professoren Neyman und Remsky, soll der Prototyp IAN sich nun bei einem ersten Einsatz bewähren. Der findet in Neu-Sibirien statt. IAN wird der SRS, der Special Rescue Section, zugeteilt. Unter Commander Saul, der IAN kritisch beäugt, soll die Besatzung eines Tauchboots geborgen werden, das unter einem halb verfallenen, nuklearen Entsorgungslager havariert ist (Band 1: Ein elektrischer Affe). In gewisser Weise steht das Abenteuer für sich und ist abgeschlossen. Mit IAN wird die titelgebende Hauptperson eingeführt, unter dem Misstrauen der neuen Kameraden. Nicht nur durch das verfallene, riesige Bauwerk, das einem U-Boot-Bunker ähnelt, zeigen Story und Bilder einen dystopischen, post-apokalyptischen Charakter, was durch die meist düsteren Farben und die trostlose Schneelandschaft noch unterstützt wird.

Ab dem zweiten Band („Eine finstere Lektion“) ändert sich das komplett. Jetzt präsentieren Vehlmann und Meyer – die Story spielt in L.A. – ein lupenreines SF-Szenario, komplett mit fliegenden Autos und einem futuristischen Stadtbild. IAN ist mittlerweile bei seinen Kollegen akzeptiert und in die SRS integriert, agiert dennoch immer wieder unbeholfen, v.a. im zwischenmenschlichen Bereich. In einem neuen Einsatz wird die Truppe zum Schutz des riesigen Luxus-Kaufhauses Eden’s Gate abgestellt, das im Zentrum eines Aufruhrs liegt, der von einer extremistischen Gruppe namens Red Anger initiiert und angeführt wird. Während Commander Saul die Sicherung und Verteidigung des Komplexes vorbereitet, schlägt IAN eigenmächtig einen anderen Weg ein, was ihm schließlich nach einer ersten mystischen Begegnung zum Verhängnis wird. Hier im zweiten Teil sind die Zeichnungen klarer, erinnern eher an den Moebius- als an den Giraud-Stil. Die Kolorierung ist bunter, komplexer angelegt als im ersten Teil und erzeugt damit auch eine visuelle Tiefe.

IAN Gesamtausgabe (Vorzugsausgabe)

Teil drei, „Blitzkrieg“: Der arg ramponierte IAN hat die Verbindung zu seinen beiden Erbauern und zur SRS abgebrochen und begreift, was er angerichtet hat. Dennoch findet er unter den Menschen, die Robotern gegenüber immer negativer eingestellt sind, neue Freunde, die ihn unterstützen. Doch mit dem jungenhaften General Eluard taucht ein neuer Gegenspieler auf, der im Pentagon sitzt. Dessen Aufgabe ist es, aus bestimmten Gründen den verschollenen IAN zu finden und zu zerstören. IANs Kollegen von der SRS sollen ihm dabei helfen. Neyman und Remsky sind inzwischen festgesetzt, doch IAN will, dass seine Konstrukteure rehabilitiert werden, was nur durch eine Person möglich ist: den US-Präsidenten. Es entbrennt eine Hetzjagd in deren Folge IAN einiges über die Vorgänge in Band 2 erfährt, wie auch den wahren Grund, warum er als Gefahr erachtet wird.

Der griechische Begriff „Metanoia“ steht für Buße oder Reue und für eine Veränderung des Denkens. So ist auch der Abschlussband der Reihe betitelt. Inzwischen wird IAN landesweit gesucht und gejagt und versteckt sich in den Sümpfen und Bayous Louisianas. Dort spürt ihn die windige Reporterin Ruby auf. Von ihr erfährt IAN, dass der verschrobene Tech-Milliardär Swainston offenbar reges Interesse an ihm hat und beschließt, diesen aufzusuchen, auch um Klarheit über seinen fatalen Aussetzer zu bekommen, der schon lange nicht mehr durch neuronale „Kurzschlüsse“ erklärt werden kann. Während General Eluard einen neuen Versuch unternimmt, IAN zu schnappen, erkennt dieser die wahren Absichten des exzentrischen, fern von der Außenwelt lebenden Swainston und versucht eine Katastrophe abzuwenden.

Vier unterschiedliche Geschichten, drei davon als direkte Fortsetzungen. Während Band 1 eine Abenteuerstory erzählt, die nach einer nicht näher benannten Katastrophe spielt, konzentrieren sich die drei übrigen Bände voll auf IAN, wobei folgerichtig seinen SRS Kameraden immer weniger Platz eingeräumt wird, ehe sie im letzten Teil komplett aus der Geschichte verschwunden sind. Das Motiv der Verteidigung von Eden’s Gate vor den hartnäckigen Angreifern und Eindringlingen in Band 2 erinnert dann an John Carpenters „Assault on Precinct 13“ (oder wahlweise an den Western „Rio Bravo“), nur in größeren Dimensionen, wobei IANs Taten und seine „Offenbarung“ einen mystisch angehauchten Gegenpol finden. Besteht der dritte Teil aus einer Hetzjagd, die Motive aus diversen Attentats-Filmen ausborgt, haben wir zum Finale einen Mad Scientist, der wie ein gestandener Bond-Schurke Großes im Schilde führt, zumindest nach eigener Ansicht.

Das in Teilen berechtigte Misstrauen gegenüber der „lebenden KI“ namens IAN und die Diskussion über deren Kontrolle zieht sich dabei durch alle vier Alben und zeigt darüber hinaus noch aktuelle Bezüge. Neben diversen alternativen Album-Covern, Entwürfen und Skizzenseiten schließt ein Interview mit Vehlmann und Meyer den hochwertig eingerichteten Band ab, der auch als Vorzugsausgabe zu haben ist (siehe Cover oben links): auf 100 Exemplare limitiert, mit Variantcover und einem signiertem Druck. Das launige Vorwort, das sei noch erwähnt, stammt passenderweise von Jean Giraud alias Moebius. (bw)

IAN Gesamtausgabe
Text & Story: Fabien Vehlmann
Bilder: Ralph Meyer
218 Seiten, Hardcover
Piredda Verlag
45 Euro

ISBN: 978-3-949968-04-4

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