Inzwischen wissen wir: Jonas Crow, unser Undertaker, wurde von Sid Beauchamp, seinem alten Kumpel aus gesetzlosen Zeiten und jetzigem Sheriff von Tucson, gehörig an der Nase herumgeführt. Weshalb sich Jonas letztendlich auf die Seite der Apachen schlug, um die Leiche von Caleb Barclay, des „weißen Indianers“, wieder in das Indianergebiet zu bringen. Doch wurden er und die Indianer um die berüchtigte Kriegerin Salvaje von Sid gefasst und nun nach Tucson gebracht, wo sie als Gefangene vorgeführt werden. Und Caleb soll nun eine „anständige“ Beerdigung erhalten, durchgeführt von Jonas, womit Sid seinen Job erledigt hätte und damit endlich Josephine Barclay, die mächtigste und reichste Frau Arizonas heiraten könnte. Eine für Jonas ganz und gar inakzeptable Situation…
Schillernde Bösewichte und Gegenspieler haben auch im sechsten Band der Western-Reihe ihren festen Platz. Nach dem Minenbesitzer Cusco und zuletzt Jeronimus Quint, dem Kannibalen von Sutter Camp, ist im dritten Zyklus nun ein Schurken-Duo am Werk. Sid Beauchamp, der sich als Karrierist mit der Heirat der (freilich ungeliebten) matronenhaften Josephine Barclay gesellschaftlichen Aufstieg und Reichtum verspricht. Und die Barclay, völlig gefühlskalt und gewissenlos, die sich als Bankbesitzerin ihrer Machtposition bewusst ist und sich ihr vermeintlich eigenes Recht schafft – ein leider gerade wieder aktuelles Thema. Ihnen gegenüber steht Jonas Crow, der mit seiner Mischung aus Wagemut und Todesverachtung nur eines will: Gerechtigkeit als moralische Pflicht.
Auch ohne das Damengespann Rose Prairie und Lin (das wir sicher in naher Zukunft wiedersehen werden – siehe der Titel des nächsten Bandes) wird es dem Undertaker also nicht langweilig. Die starke – richtig starke – Frauenrolle übernimmt Salvaje, die ihren (und auch Calebs) Sohn Chato einerseits hart erzieht, andererseits alles tut, um ihn zu beschützen – umso tragischer erscheint da ihre Machtlosigkeit angesichts ihrer Gefangennahme und die elende Behandlung durch die Weißen. Am Ende steht ein Finale, furios und explosiv, mit durchaus kuriosen Szenen, eben wenn es einmal mehr um die Beerdigung von Caleb geht und Jonas den sich anbahnenden Größenwahn Sids handwerklich perfekt zunichtemacht.
Fast zwei Jahre hat es gedauert bis Band 6 und damit der Abschluss des dritten Zyklus‘ erscheint, aber es hat sich einmal mehr gelohnt. Die Reihe von Autor Xavier Dorison (u.a. „Aristophania“, „Long John Silver“) und Zeichner Ralph Meyer (u.a. „Asgard“, „Die schwarze Seite“) hat sich schon längst in die franko-belgische Western-Tradition von Blueberry & Co. eingereiht, wobei Jonas Crow als der Undertaker eine markante Hauptfigur darstellt (nicht nur optisch mit seiner Bestatter-Kluft und dem zahmen Geier Jed), mit einer massiven Vergangenheit (offenbar als Gesetzloser und Revolverheld) und immer wieder mit makabren Sprüchen und stoischer, zielgerichteter Sturheit prinzipientreu bleibt und so zu überraschen weiß. Der realistische Zeichenstil, prächtige Kulissen und die bodenständige Farbgebung (wieder von Caroline Delabie ) tun dabei ihr Übriges. (bw)
Undertaker, Band 6: Salvaje
Text: Xavier Dorison
Bilder: Ralph Meyer, Caroline Delabie (Farben)
64 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
16 Euro
ISBN: 978-3-96219-442-0
