Fünfter und letzter Teil der doch ausführlichen Moebius Werkschau – abseits seiner phantastischen und bekannten Serien wie „Der Incal“ oder „Die Sternenwanderer“. Der Band, mit 128 Seiten der dünnste der Moebius Collection, besteht aus zwei mittellangen Stories – „Zwischenlandung auf Pharagonescia“ und „Der irre Ständer“ – zwischen die sich noch diverse Kurz- und Kürzestgeschichten gedrängt haben. „Zwischenlandung…“, 1977 entstanden, zeichnet sich dabei durch einen frischen wie schrägen Humor aus: Der Erdling J.D. Foster vom Raumschiff PII will beim Stopp auf dem fremden Planeten etwas Spaß haben und sucht einen Nachtclub auf. Dabei macht er einen folgenschweren Fehler. Denn in Kürze startet auf Pharagonescia die Mutationsfeier (man befindet sich bekanntlich bereits in Phase IV – vielleicht hat Moebius den Saul Bass Film gesehen) und im Nachtclub, dessen einziger Gast Foster ist, vergisst er nach dem Trinken des Koks‘ zu striegeln und beginnt sogleich auf maximal groteske Art und Weise zu mutieren. Clubbesitzer Bartinflor und Meister Coom haben in der Folge alle Müh und Not, die unaufhörliche Mutation wieder rückgängig zu machen…
Für Moebius-Verhältnisse bietet „Zwischenlandung…“ eine gerade zu stringente Story (inkl. eines kleinen Twists am Schluss), die von schrägem Humor durchzogen ist, sei es der nervende Musikant, der Crewkollege von der PII, der als Running Gag dient oder die skurrilen Mutationen, über die sich Bartinflor und Croom herzlich wenig aufregen. Dazu gesellen sich wieder Anachronismen wie der Oldtimer. Dinge wie die „Mutationsfeier“ oder „das Koks striegeln“ bleiben dabei natürlich wie immer Geheimnisse der unergründlichen Moebius’schen Fantasie. Auch typisch: Die Zeichnungen wandern wieder auf dem schmalen Grat zwischen Funny und Realismus, zwischen Skizzenhaftigkeit und Detailfreude. Was bei der zweiten Titel gebenden Geschichte noch deutlicher wird: „Der irre Ständer“ hat ein Problem. Er muss auf dem Planeten Lallimsuph vor der N.F.P. fliehen – der No-Fuck-Police. Aber aufgrund seines gegenwärtigen markanten Körpermerkmals kann er sich nur schwer verstecken. Da kommt ihm das eindeutige Angebot einer Madame Kowalski, die auch Kaiserin der Wollust genannt wird, gerade recht…
„Der irre Ständer“, der Titel ist hier wörtlich zu nehmen, ist wesentlich wilder und unberechenbarer als „Zwischenlandung…“ und begibt sich damit schon fast wieder in gewohntes Moebius Fahrwasser. Mit einem Grundmotiv, das stets absurder werdende Ebenen durchläuft. Und einer Hauptfigur, die nicht nur eine lange Nase hat. Zutaten sind hier ein fliegender und sprechender Stein (!) namens Pedro, Dumbo der Elefant (!) als Fluggerät, eine Parodie auf die wiederkehrende Asterix-Parodie auf den Roten Korsaren und ein unvermittelter Ausflug in die Gegenwart. Die Zeichnungen sind trotz der Funny-Elemente erstaunlich detailliert. Eine weitere Besonderheit: Die „Story“ ist optisch zweigeteilt. Während rechts die „Geschichte“ um den irren Ständer erzählt wird, sehen wir links eine separate „Entwicklung“ – ähnlich wie in „Die Augen der Katze“. Hier durchlebt Daumenkino gleich ein Mann in ganzseitigen Bildern einmal mehr eine weitere skurrile Mutation, was Interpretationen Tür und Tor öffnen mag.
Lustigerweise gibt es beim „irren Ständer“ auch einen Bezug auf „Belgische Schwämme“ aus der ersten Grubert Mini-Episode in diesem Band, was uns zu den Kurzgeschichten bringt. Neben diversen Grubert Auftritten, einer davon im gewohnten Schwarz-Weiß, sei hier die ironische zehnseitige Mensch-Alien Begegnung in „Ist der Mensch gut?“ erwähnt, die ohne Sprechblasen und (fast) ohne Text auskommt, sowie „Der Märchenprinz von Phénixon“ (mit GIR signiert), in der sich die Frau eines Raumhändlers mit einem Pawaschuss namens Balutin davonmacht (ist halt so), mit kleinen Alien-Händlern, die an die Jawas aus Star Wars erinnern. Der kryptische Zweiseiter „Doppelflucht“, auch völlig wortlos, beschließt die Kurzgeschichten. Das finale Nachwort von Kulturkritiker Nicolas Tellop befasst sich informativ mit der Erotik in Moebius‘ Werk und mit zwei finalen Titel-Illustrationen beendet Splitter die Collection Moebius dann. (bw)
Moebius Collection, Band 5: Zwischenlandung
auf Pharagonescia / Der irre Ständer
Text & Bilder: Moebius
128 Seiten in Farbe und Schwarz Weiß, Hardcover
Splitter Verlag
29,80 Euro
ISBN: 978-3-96792-201-1