Alejando Jodorowskys „Dune“ gehört zweifellos zu den berühmtesten und wichtigsten Filmen, die nie realisiert wurden – was das kürzlich für fast 2,7 Millionen Euro versteigerte ziegeldicke Storyboard Buch, u.a. mit Zeichnungen und Entwürfen von „Moebius“ Jean Giraud und HR Giger eindrucksvoll unter Beweis stellt. Das letztendliche Scheitern des Films 1975 wurde dennoch zur künstlerischen Keimzelle. Für viele der Beteiligten – eine illustre Schar, die Jodorowsky um sich versammelte – wie auch für die weitere Entwicklung des Science Fiction Genres. Das Ende des Projektes führte zu einer langjährigen und fruchtbaren Comic-Kollaboration zwischen dem exzentrischen Regisseur und Moebius.
Aber mehr noch. Es entstand eine Kurzgeschichte namens „The Long Tomorrow“, die Dan O’Bannon, zuständig für die Spezialeffekte, 1976 für Moebius schrieb. Die Hardboiled-Story, angesiedelt in einer dreckigen Megapolis der Zukunft mit fliegenden Autos, inspirierte einen gewissen Ridley Scott zu seinem Meisterwerk „Blade Runner“, später fanden eindeutige Motive daraus Verwendung in „Star Wars“ und „Das Fünfte Element“ (wo Moebius mit seinem Freund Jean-Claude Mézières zusammenarbeitete). Dan O’Bannon verfasste dann das Drehbuch zu „Alien“, samt Designs von HR Giger, der wiederum bereits im Dune-Projekt involviert war. Auch hierzu steuerte Moebius Entwürfe und Ideen bei. Fast könnte man meinen, es hätte nach dem Aus von „Dune“ ein Ventil gebraucht, um den kreativen Prozessen, die für den Film freigesetzt und dennoch blockiert wurden, doch noch einen Weg zu bahnen.
Im dritten Teil der Moebius Collection erläutert das hochinteressante Nachwort von Florent Chastel Moebius’ Mitarbeit an diversen Filmen und seine Einflüsse auf Hollywood und andere Comic-Schaffende (wie Katsuhiro Otomo), was „The Long Tomorrow“ mit seinen nur 16 Seiten am anschaulichsten unter Beweis stellt (übrigens inklusive eines Verweises auf Major Grubert). Ein weiteres Herzstück des Bandes ist die abschließende Erzählung „Die Augen der Katze“, geschrieben von Jodorowsky (der auch ein Vorwort dazu verfasste), die noch vor dem Incal entstand. Ganzseitige Ansichten und ein Design, das in puncto Perspektiven strickt räumlich getrennt und in Schwarz-weiß eingehalten wird, mit einem hohen Grad an Details, zeichnen die Story aus, die sich einmal mehr keiner Deutung erschließt.
Daneben enthält der Band diverse Kurzgeschichten aus dem 1970er Jahren, die sich ganz typisch Moebius in Form, Gestaltung und Ausgang unterscheiden. Nur eines haben sie gemeinsam: die Originalität. So wird in „Rock City“, das in viele kleine Panels aufgeteilt ist, ganz auf Worte verzichtet. Einige Storys kommen mit einer gelungenen, gerne schräg oder makaber inszenierten wie nachdenklichen Pointe aus („Das Artefakt“). Andere enden einfach – mehr oder weniger – auch das ganz in Moebius-Tradition. Dabei ist der Zeichenstil wieder höchst variabel, was man in der „Hermetischen Garage“ bereits beobachten konnte. Vom skizzenartigen, groben Strich in „Deima“ bis zur opulenten Gestaltung fremder Fauna und Flora wie in „Ballade“. „Ktulu“, wo H.P. Lovecraft himself einen kuriosen Auftritt absolviert, ähnelt in seinem Zeichenstil den frühen Arbeiten Enki Bilals. „Albtraum in Weiß“, eine Story ohne SF-Elemente, befasst sich mit dem Thema Rassismus und wurde 1991 als Kurzfilm und Frühwerk von Mathieu Kassovitz („Die purpurnen Flüsse“) verfilmt. Band 4 (von 5) erscheint dann Anfang Februar. Wir sagen nur: „Rhaa! Lovely!“ (bw)
Moebius Collection, Band 3:
The Long Tomorrow / Die blinde Zitadelle / Die Augen der Katze
Text: Moebius, Dan O’Bannon, Philippe Druillet,
Alejandro Jodorowsky
Bilder: Moebius
184 Seiten in Farbe und Schwarz Weiß, Hardcover
Splitter Verlag
35 Euro
ISBN: 978-3-96792-087-1