Providence, Rhode Island, im Jahre 1926. Der junge Francis Wayland Thurston erbt den Nachlass seines verstorbenen Großonkels, des Archäologen Professor George C. Angell. Darin entdeckt er eine verschlossene Kiste, in der sich eine Tontafel mit der Abbildung einer monströsen Kreatur befindet. Weitere Aufzeichnungen des Professors berichten von seltsamen und auch blutigen Kulten an den unterschiedlichsten Orten der Welt, wie in den Sümpfen bei New Orleans oder bei den Eskimos. Die ekstatisch durchgeführten Rituale gleichen sich und in deren Mittelpunkt scheint jeweils eine Statue zu stehen, die der Abbildung auf der Tontafel entspricht. Auch die Rufe, die in einer fremdartigen Sprache skandiert werden, sind die gleichen. Immer beunruhigender werden die Aufzeichnungen, die Thurston liest und findet. Bis er bei einem Bericht eines Schiffbrüchigen auf den ultimativen Schrecken stößt…
Nach diversen Erwähnungen und Anspielungen in den Vorbänden und -geschichten dieser Reihe (u.a. „Die Berge des Wahnsinns“, „Stadt ohne Namen“) laufen die Fäden des von Lovecraft erdachten und von vielen anderen ergänzten Cthulhu Mythos‘ hier zusammen und wir treffen endlich den Chef persönlich. Bis es aber so weit kommt, gehen der Kultautor und damit auch sein Adapteur Gou Tanabe den üblichen Weg: Ein Unwissender gelangt an einen Tatsachen-Bericht, woraufhin die dort geschilderte Story in Rückblicken erzählt wird. Die sind hier in diesem Fall besonders verschachtelt und episodisch, formen aber schnell ein unheilvolles Bild des Geschehens und der weltumspannenden Bedrohung. Dabei ist alles, was einen echten Lovecraft ausmacht – vom Zauberbuch Necronomicon und der mythische Stadt R’lyeh über die Großen Alten, die vor Jahrmillionen auf die Erde kamen und noch immer dort im Verborgenen schlummern, bis zu Cthulhu selbst. Und natürlich stinkt es auch wieder.
Wie bereits im Vorgänger „Der Schatten aus der Zeit“ wechselt der 1975 in Tokio geborene Tanabe die Perspektive, wenn es um Darstellungen der Großen Alten und deren Stätten geht und präsentiert diese in ganz- oder doppelseitigen Panels, finster und abstrakt, dazu noch mit schwarzem Bildrand, was das ständige Gefühl des Unheimlichen noch bedrohlicher werden lässt. Das große, in geradezu apokalyptischen Bildern inszenierte Finale beeindruckt dann einmal mehr in seiner feinen, überbordenden Optik. Lovecraft schrieb seine Geschichte 1926, das Jahr in dem sie spielt. Die Erstveröffentlichung erfolgte zwei Jahre später in „Weird Tales“. Metal-Fans wird der Titel der Story hinlänglich bekannt sein – in ihrem zweiten Album „Ride the Lightning“ von 1984 widmeten sich Metallica bereits dem Thema, zwar nicht gesanglich aber dennoch in harten Tönen („The Call of Ktulu“ ist ein Instrumental). „Cthulhus Ruf“ ist der siebte Lovecraft-Band, der bei Carlsen von Gou Tanabe erscheint. Weitere können gerne folgen. (bw)
H.P. Lovecrafts „Cthulhus Ruf“
Text & Bilder: Gou Tanabe
280 Seiten in Schwarz-Weiß, Softcover
Carlsen Verlag
18 Euro
ISBN: 978-3-551-76716-5