The Department of Truth, Band 2 (Splitter)

März 10, 2023
The Department of Truth, Band 2: Die Stadt auf dem Hügel (Splitter Verlag)

Manche Probleme sind ungewöhnlich – wie entfernt und erklärt man diverse Toten sowie eine Eiswand am Rande der Welt, die eine wirre Bande von Flacherde-Gläubigern durch ihre feste Überzeugung, mit ihrer Theorie richtig zu liegen, tatsächlich in der Realität manifestiert haben? Gut, dass es dafür das Department of Truth gibt: diese geheime FBI-Einheit macht unter der Führung von Lee Harvey Oswald Jagd auf eben solche Phänomene und beseitigt sie nebst der Beteiligten, bevor die Lage richtig eskaliert. Wie das geht, kann der neue Rekrut Cole Turner gleich in Augenschein nehmen, als er mit seiner Kollegin Ruby nach Denver geschickt wird. Vor Ort auf dem internationalen Flughafen nämlich vermutet man, dass sich durch die hartnäckige New World Order-Theorie (geheime Eliten regieren angeblich die Welt) die entsprechenden Phänomene – unterirdische Kommandozentralen, geheimnisvolle Zeichen – gesteuert durch die Terror-Organisation Black Hat in die Wirklichkeit katapultieren.

Der dortige Department-Vertreter Hawk Harrison erklärt dem ebenso staunenden wie zunehmend frustrierten Cole ausladend, wie das Department vorgeht. Letzten Endes nutzt auch das Department die Technik, die Realität mittels Manifestation zu formen, was landläufig als Magie, innerhalb der eingeweihten Kreise etwas ambitionierter als Tulpa, eine Verballhornung des buddhistischen Mystizismus, läuft. Warum Cole allerdings immer noch von seinen Kindesängsten vor einem finsteren Mann mit durchkreuzten Augen geplagt wird, lässt Hawk offen, schließlich ruft schon der nächste Auftrag: in den Wäldern von Oregon muss das Department, in Person der zuständigen Außenposten-Rangerin Darla, für Ordnung sorgen. Allzu fest glauben Vater und Sohn an die Legende des Bigfoot, die amerikanisierte Version des tibetanischen Yeti, wodurch wirklich ein entsprechendes Viech durchs Unterholz wütet und Camper abschlachtet. Als auch dieser Bedrohung der Garaus gemacht ist, nähert sich Cole immer weiter der Erkenntnis, dass das Department auch mit ihm ganz eigene Pläne hat…

Weiter geht’s mit der phänomenalen Serie, in der „Something Is Killing The Children“-Schöpfer James Tynion IV die atemberaubende Idee ausbreitet, dass Verschwörungstheorien wahr werden können, wenn nur genügend Verwirrte an sie glauben – wogegen das Department of Truth rabiat vorgeht. Dass das Department selbst alles andere als nur ehrenhafte Zwecke verfolgt, versteht sich dabei von selbst: schon als Kind haben Hawk und Lee Harvey den kleinen Cole wohl im Visier, dessen Angst vor einem diffusen finsteren Mann ebenso nutzbar scheint wie seine Fähigkeit, die scharlachrote Frau zu sehen, die nur wenige erblicken. Mehr noch als im Auftaktband taucht Tynion hier in Person des Hawk ein in die Mechanik und Vielschichtigkeit der conspiracies: im Schnelldurchlauf führt Hawk durch die Entwicklung der Verschwörungstheorien, von den Freimaurern über den englischen Möchtegern-Mystiker Alastair Crowley (lyrisch besungen von einem gewissen John Osbourne) bis hin zu modernen Ausprägungen, die diverse Kreise innerhalb ihrer demagogischen Opfer-Rhetorik als diffuse Bedrohung durch angebliche Eliten oder „die da oben“ beklemmend aktuell fortführen.

Im Zuge der Bigfoot-Story erläutern Darla und Hawk außerdem die gängigsten Formen der Tulpa-Manifestierungen: von Geistern („substanzlose Phänomene“) geht die Reise über Aliens bis hin zu Monstern, die sich am hartnäckigsten halten und auch am gefährlichsten sind, da seit der Entdeckung der Welt in jeden exotischen Winkel immer wieder in der Tat neuartige Kreaturen zu vermelden waren (die Entwicklung des Bigfoot-Mythos‘ erleben wir hier durchaus amüsant als Ableger der Yeti-Saga, die in den 50ern mit der Besteigung des Mount Everest populär wurde und zusammen mit der Loch Ness-Geschichte eines Monsters trotz aller Gegenbeweise nie ganz umzubringen war, was die Kollegen vom Department hier dankenswerterweise erledigen). Ganz und gar nicht amüsant gestaltet sich, soweit ein weiterer sehr realistischer Bezug zu den Auswirkungen dieser Phänomene, die persönliche Tragweite: so intensiv glauben ein Familienvater und sein Sohn an ihre phantastische Entdeckung, dass sämtliche Familienbande zerbrechen, der Vater dem Alkoholismus verfällt und auch der erwachsene Sohn den gleichen Weg zu beschreiten droht, was auch optisch abgesetzt im „Tagebuch des Jägers“ erscheint.

Der eigentlich so harte Hund Hawk zeigt sich davon so bewegt, dass er sich dem stehenden Befehl Oswalds widersetzt und den Legenden-Gläubiger am Leben lässt, der durch den Verlust seiner Familie gestraft genug ist. Somit ein weiterer intellektuellen Drahtseil-Akt, der in die Tiefen real existierender Verirrung führt, die Tag für Tag zu beobachten ist und ihren Weg in die Realität damit in der Tat zu nehmen scheint, was diese Allegorie nachhaltig illustriert. Optisch wieder alptraumhaft-atemlos gestaltet von Martin Simmonds, liefert auch dieser Band, der die Original-Ausgaben 8-13 der Serie enthält, wieder inhaltlich und optisch herausfordernd-faszinierende Kost. Band 3 („Freies Land“) ist schon zu haben, Band 4 („Das Ministerium der Lügen“) bereits für Juli angekündigt. (hb)

The Department of Truth, Band 2: Die Stadt auf dem Hügel
Text & Story: James Tynion IV
Bilder: Martin Simmonds
176 Seiten in Farbe
Splitter Verlag
27 Euro

ISBN: 978-3-96792-255-4

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