Eigentlich super: wenn man von einem alten Kumpel eingeladen wird, eine Woche lang an und in einem Haus am See zu verbringen. Abgeschieden, mitten im Nirgendwo. Und natürlich für umme – Kost und Logis also inbegriffen. Und umso besser, wenn sich das Haus als ausladende Architekten-Villa entpuppt, luxuriös ausgestattet mit allem, was das Herz begehrt, vom Pool über Kino bis zur umfangreichen Bibliothek. So ergeht es den zehn Freunden, die Walter größtenteils aus der Schulzeit kennen und die sich jetzt auf dessen Einladung hin wieder zusammenfinden, unter traumhaften Umständen, wie es scheint.
Denn der Begeisterung folgt schnell der tiefe Fall. Und der kann nicht brutaler sein. Zuerst entdeckt die Gruppe unheilvolle Nachrichten in den sozialen Netzwerken: die Apokalypse scheint über die Welt zu kommen. Überall wüten Feuersbrünste, die Menschen verbrennen bei lebendigem Leib, auch der Präsident sei unter den zahllosen Opfern. Gleichzeitig offenbart Walter, der sich künftig auf schon fast abstrakte Weise rar machen wird, nicht minder Unglaubliches: er habe seine Freunde bewusst ausgesucht, ihnen die Villa und deren Umgebung als eine Art Arche zur Verfügung gestellt, damit sie den Weltuntergang überleben. Ihnen soll es an nichts mangeln. Nur: weggehen ist nicht, man werde bis zum Lebensende hier bleiben müssen…
Das einsame, verlassene Haus im düsteren Wald, das Unheil birgt und aus dem es kein Entrinnen gibt. Kennen wir. Nur haben wir hier weder Haus noch Hütte, sondern eine massive Luxusvilla. Und düster ist hier auch kaum etwas, erst recht nicht die Zukunft des kleinen Grüppchens von „Überlebenden“. Die werden im ersten Kapitel nach und nach vorgestellt, bis Walter, der ganz offenbar kein Mensch sein kann, schnell zum Kern der Sache kommt. Eine unerhörte Enthüllung, mit der man erst einmal zurechtkommen muss. Manche neigen dazu, die Situation zu akzeptieren und ihre Leben in dem gebotenen und auch von Walter versprochenen Luxus einfach „sorgenfrei“ weiterzuleben, während andere vergeblich einen Weg nach „draußen“ suchen.
Nach „Something is Killing the Children“ und „The Department of Truth“ startet mit dem beschaulichen Titel „Das Haus am See“ (im Original noch euphemistischer „The Nice House on the Lake“) eine weitere phantastische Reihe von Autor James Tynion IV., die gleich in die Vollen geht und so richtig dick aufträgt: Das Ende der Welt ist da, kommt damit klar, in eurem kleinen Paradies. Die Mysterien, Ungereimtheiten und Geheimnisse – die die Gäste auch untereinander haben – lassen nicht lange auf sich warten. So merkt, wer aufmerksam liest, dass die Villa für zwölf Personen ausgelegt ist, da sind aber inkl. Walter nur elf. Wer oder was ist Walter, wie kann er so viel Macht haben, das Ende der Welt herbeizuführen? Woher kommen die Verpflegungspakete, mit denen (fast) jeder Wunsch erfüllt wird? Man kann gespannt sein, wie und ob all diese Fragen aufgelöst werden.
Denn irgendwas wird sich in der Zukunft, die Hausbewohner betreffend, ändern oder schief gehen: jedes Kapitel (bis auf das letzte, in dem tatsächlich einiges erhellt, wenn auch nicht ganz erklärt wird), beginnt mit einer Szene aus einer unbestimmten Zukunft, in der einer der Charaktere direkt in die „Kamera“ zu einem Monolog ansetzt. Dann gibt es Rückblenden in die High School-Zeit mit Walter, die die Beziehungen der Personen untereinander erhellen, und natürlich stets Überraschungen und Wendungen. Ein jederzeit spannender Band mit einer originellen Grundidee. Samt atmosphärisch dichter Zeichnungen und stimmigen Farben von Jordie Bellaire, immer wieder unterbrochen von ganzseitigen Email-Nachrichten oder Aufzeichnungs-Protokollen. Der Band erscheint in dem neuen Panini Sub-Label „DC-Schocker“(im Original ein reiner Black Label Titel), das als Nachfolger der „Joe Hill Comics“ angesehen werden kann. Ein zweiter und letzter Teil der Reihe, die just mit dem Eisner Award ausgezeichnet wurde, ist in Vorbereitung. (bw)
Das Haus am See, Band 1
Text: James Tynion IV
Bilder: Alvaro Martinez Bueno, Jordie Bellaire (Farben)
196 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
22 Euro
ISBN: 978-3-7416-2777-4