Kindheitstrauma nennt man so etwas wohl: im zarten Alter von 12 Jahren muss die kleine Erica miterleben, wie ein Monster zuerst ihre Freundin Becca und dann auch ihre Eltern tötet. Erica setzt sich tatkräftig per Küchenmesser zur Wehr und schafft es gemeinsam mit der herbeieilenden Jessica, das Viech in dem Stofftier Octo zu bannen. Jessica nimmt das schockierte Mädchen unter ihre Fittiche und fährt mit Erica nach Chicago, wo im Hause Slaughter die Schule des Ordens des heiligen Georg immer auf der Suche nach neuen Rekruten ist.
Dennoch gestaltet sich die Begrüßung eher weniger herzlich: sowohl Cecilia als auch der junge Aaron zweifeln an der Eignung des Neuzugangs. Aber dafür gibt es ja den ultimativen Test, den Erica durchlaufen muss: auf einer entlegenen Farm führt Big Gary Slaughter die verschreckte Kleine in eine Scheune, wo das schiere Grauen auf sie wartet. Gary lässt ein Monster auf sie los, das sie in drastischen Visionen mit dem Tod ihrer Eltern konfrontiert und versucht, ihr zu suggerieren, dass sie selbst in diesem Moment versagte. Während Jessica verzweifelt davon ausgeht, dass Erica den Test nicht überlebt, ringt die junge Kämpferin der Finsternis mit ihren inneren Dämonen, die durchaus greifbare Form annehmen…
Origin-Story! Darauf setzt James Tynion IV in diesem Neuaufschlag der Saga, deren erster Handlungsbogen im letzten Band zu Ende geführt wurde. Nach den Ereignissen in Archer’s Peak, in denen Erica Slaughter gewaltsam eingreifen musste, werfen wir nun einen Blick auf die Vorgeschichte, die bislang in Andeutungen im Hintergrund waberte. Der legendäre Drachentöter Georg, so die Mär, versammelte einen Orden um sich, der bis heute unter einem ehernen Schweigegelübde diverses Monsterkroppzeug aus der Welt schafft, ohne dass die ahnungslose Bevölkerung jemals davon erfahren darf – das würde ja nur Panik geben.
In der Schule des Ordens bildet man den Nachwuchs aus, wobei man durchaus ruppiger vorgeht als Professor X in seinem Institut für „begabte Jugendliche“: nur Überlebende von Monsterattacken nimmt man ins Visier, die den Test auf der „Farm“ gerne auch mal nicht überleben. Dieser Initiation folgt dann nach einigen Einsätzen die „Trepanantion“, die dann zu echten Aufträgen berechtigt. Der Orden selbst besteht dabei aus ganz unterschiedlichen Truppen: rot sind die Buchhalter, schwarz die Auftragsjäger, azur die Techniker, weiß die Spezialeinheiten und smaragd die echten Drachentöter – ergänzt von den silbernen Vertretern, die in „Folklore“-lastigen Ländern mit eher traditionellen Mitteln wie Pflock und Weihwasser unterwegs sind. Buffy lässt wieder mal grüßen.
So entwickelt Tynion eine Backstory, die X-Men, X-Files und andere Mythen vermischt und auch in der Nähe seiner anderen, fulminanten Serie „Department of Truth“ steht. Optisch setzt Werther Dell’Edera das Ganze vor allem in den Sequenzen in der Scheune standesgemäß alptraumhaft in Szene, wo das Grauen und die Angst Ericas, aber auch ihre Entschlossenheit in expressiver Farbgebung erscheint. Rein inhaltlich bringt diese Origin Story keine maßgeblichen neuen Elemente, sondern ergänzt eher das Mosaik, das wir uns schon zusammengefügt hatten – man darf gespannt sein, wie Meister Tynion die Fäden weiter spinnt. Bei Splitter erscheint auch diese Zusammenstellung wieder ergänzt um eine Covergalerie. (hb)
Something is killing the Children, Band 4
Text: James Tynion IV
Bilder: Werther Dell’Edera
144 Seiten, Hardcover
Splitter Verlag
22 Euro
ISBN: 978-3-96792-313-1