Zwar gab es in der inzwischen schon wahrhaft langen Geschichte von „The Walking Dead“ bereits diverse Erzschurken (wir erinnern uns an den Governor aus Woodbury), aber keiner schlug so ein (im wahrsten Sinne des Wortes) wie Negan, der despotische, psychopathische Anführer der „Erlöser“. Das lag an seiner Gnadenlosigkeit, an seiner versauten Sprache (keiner benutzt das F-Wort öfter als er) und natürlich an seiner markanten Optik, mit schwarzer Lederjacke und dem mit Stacheldraht umwickelten Baseball-Schläger namens „Lucille“, ein tödliches Accessoire, von dem er gerne rege Gebrauch machte. Negan wurde schnell zu einem Liebling der Fanscharen – wohl der Grund weshalb ihm seinerzeit nicht der Garaus gemacht wurde und Autor Robert Kirkman Gnade walten ließ: Er, der sonst nicht davor zurückschreckt, immer mal wieder Hauptfiguren sterben zu lassen (siehe den aktuellen Band 28 der Reihe). Stattdessen wurde Negan in einer Zelle „geparkt“, kam dort vielleicht sogar zur Besinnung (wir glauben das noch nicht ganz), feierte kürzlich ein aktives Comeback in der Reihe und steht im aktuellen Band wieder mit im Rampenlicht.
Grund genug für einen Sonderband, der sich ausschließlich mit Negan und dessen Leben vor der Zombie-Apokalypse befasst. Sozusagen eine Origin-Erzählung: Wir erfahren, dass er Sportlehrer ist. Verheiratet mit seiner Frau Lucille (oho!), nicht mal unglücklich, was ihn aber nicht hindert, trotzdem fremdzugehen. Nicht cool, sondern lustig sein, heißt seine Devise. Diese „lustige“ Art schlägt sich vor allem in seiner Sprache und seiner Ausdrucksweise nieder. Hier hagelt es Kraftausdrücke, das F-Wort ist Trumpf. Was nicht bei allen Schülern gut ankommt. Dann ein erster Schicksalsschlag: seine Frau, zu der er sich nun bekennt, erkrankt an Krebs. Negan weicht ihr nicht mehr von der Seite, auch im Krankenhaus nicht. Dort geschieht dann die endgültige Katastrophe, die Untoten überrennen das Hospital und übernehmen das Kommando. Auch Negans Frau verwandelt sich. Er kann sie nicht töten, nicht begraben. Ein Trauma für den Mann, der sich fortan verbittert alleine durchschlägt. Der etliche Begleiter überlebt. Bis er eines Tages auf Dwight stößt, der den inzwischen eisenharten Hund zu einer Gruppe Überlebender bringt…
Wie sein großer Rivale Rick muss sich auch Negan erstmals in einem Hospital der Zombie-Plage stellen. Nur ist er nicht Patient (Rick wurde seinerzeit angeschossen und „vergessen“), vielmehr steht er seiner sterbenden Frau zu Seite. Ihr Schicksal und sie dann alleine gelassen zu haben, wird zu seinem Trauma, das er erst aufarbeiten kann, als er seinen berüchtigten Baseballschläger mit Stacheldraht umwickelt und ihn ebenfalls Lucille nennt (in Band 27 trauert er regelrecht um den kaputten Schläger und begräbt ihn). Negan verbreitet mit seinem entschlossenen und gnadenlosen Auftreten Angst und Schrecken, um seine eigene Angst zu besiegen, zu übertünchen und offenbart so einen komplexeren Charakter, der verständlicher wird, wenn wir nun seine Vergangenheit kennen. Trotzdem wirkt der Rückblick auch zu Teilen konstruiert – vor allem wenn man an Negans erste gnadenlosen Auftritte denkt und ihm nun in Band 27 und 28 seine Läuterung noch nicht ganz abnehmen kann. Sei‘s drum. Der Sonderband – im charakteristischen Walking Dead Stil erzählt und gezeichnet – ist für Fans eine willkommene Zusatzkost und erweitert zudem noch den Wissens-Horizont. Und schließlich ist Negan ja nicht irgendein Schurke… (bw)
The Walking Dead: Negan ist hier!
Text: Robert Kirkman
Bilder: Charlie Adlard, Cliff Rathburn
72 Seiten in Schwarz-Weiß, Hardcover, Kleinformat
Cross Cult
15 Euro
ISBN: 978-3-95981-630-4