Lizbeth hat Angst. Panische. Und zwar vor dem Tod. Deshalb ist sie in psychologischer Behandlung, denn diese Angst scheint irgendwie in ihrer Kindheit begründet, an die sie sich erst ab ihrem siebten Lebensjahr erinnern kann. Nach einer Hypnose-Sitzung, die ihr nach und nach den Weg in die Erinnerung ebnet, macht sie sich wie jedes Jahr auf den Weg, um mit ihrem Bruder Leland das Grab ihrer Adoptiveltern zu besuchen. Ihren Mann und ihre beiden Kinder lässt sich dabei wie stets sehr ungern zurück. Schon auf der Autofahrt können wir feststellen, dass etwas ganz Übles vor sich geht – unbemerkt von Lizbeth und Leland, die statt Radio eine alte Kassette anhören, überrennen Untote das Land. Während Lizbeths Mann damit konfrontiert ist, dass die Stadt von Zombies umzingelt wird, die die Verteidigungslinien der Überlebenden zunehmend einreißen, werden Lizbeth und Leland auf dem Friedhof von einer Horde Untoten angegriffen.
Gerade noch so entronnen, treffen sie auf Dante, der mit seinem kleinen Sohn auf der Flucht ist und dem Kroppzeug mit einem Baseballschläger Mores lehrt, indem er damit bevorzugt Schädel eindrischt. Der ungleiche Trupp kämpft sich mühsam zum Hotel durch, in dem man übernachten wollte, nur um festzustellen, dass der Besitzer sich darin verschanzt hat und nach Herzenslust auf alles ballert, was sich draußen bewegt. Lizbeths Mann schafft es einstweilen, sich in einen der letzten Helikopter zu retten, der die Stadt verlässt – aber der Pilot ist schon von der grassierenden Seuche infiziert und schafft gerade noch eine Bruchlandung irgendwo im Westen des Landes. Dante, Lizbeth und Leland retten sich mit letzter Kraft in das Hotel, wo sie die noch menschliche Mandy aus dem Kühlraum befreien und vergeblich versuchen, den Hotelier Hubert Hodge zu überzeugen, sich ihnen anzuschließen. In diesem Moment kommt bei Lizbeth wieder ein Stück Erinnerung durch, was nahe legt, dass sie mitnichten erst jetzt die Bekanntschaft der lebenden Toten macht…
Istin (Orakel, Nirvana, ebenfalls bei Splitter) und Bonetti liefern hier eine flotte Neuinterpretation des weithin bekannten Zombie-Urstoffes von George A. Romero, auf dessen 1968er-Film der Titel ohne Umschweife verweist. Dabei sind alle Versatzstücke am Start, die der Zombie-Kenner erwartet – es gibt keinen echten Grund dafür, dass die Toten auferstehen (ein kurzer Prolog legt bestenfalls nahe, dass irgendein Experiment schief geht und die Misere auslöst – Resident Evil lässt grüßen), die Mistviecher schlurfen gurgelnd umher (eher langsam wie in den klassischen Vorlagen), man erledigt sie durch Zerdeppern des Kopfes, und das Fähnlein der Aufrechten verbarrikadiert sich in einem großen Gebäudekomplex, das in seiner Bedrohlichkeit wirkt wie das Overlook Hotel.
Von den neueren Zombie-Variationen wie ‚The Walking Dead‘ oder auch ‚World War Z‘ finden sich die vor allem die persönliche Note, das psychologische Hintergrund-Geschehen und die parallel montierte Handlung der getrennten Familie, die durch geschickte Spannungsbögen das Album zu einem wahren Pageturner macht. Ob die Zombie-Plage wie bei Romero nun stellvertretend für die Seelenlosigkeit des modernen Menschen in der Konsumgesellschaft oder für ein postapokalyptisches Weltschmerz-Feeling wie bei ‚The Walking Dead‘ steht, das werden wir im weiteren Verlauf erfahren – und natürlich auch, wie zur Hölle man sich aus diesem Hotel befreien will… Einstweilen erfreuen wir uns an der schönen atmosphärischen Gestaltung, die die Winterlandschaften inhaltlich auflädt und gekonnt als Handlungselement einsetzt. Band 2 (von 3) ist in Vorbereitung. (hb)
Die Nacht der lebenden Toten, Band 1: Vatersünden
Text: Jean-Luc Istin
Bilder: Elia Bonetti
56 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
14,80 Euro
ISBN: 978-3-95839-131-4