Paris. Jetzt oder demnächst. Zombiehorden überrennen die Stadt. Auch den Élysée-Palast. Präsident Hollande gelingt gerade noch so unter fragwürdigen Umständen die Flucht. Mit Hilfe des erfahrenen Leibwächters Charles, der seit 25 Jahren französische Präsidenten beschützt. In Vincennes, dem Rückzugsort, wird Hollande, der alles andere als eigennützig handelt, abgesetzt. Charles, nun von seiner Aufgabe befreit, beschließt, sich nach Genf durchzuschlagen. Dort lebt seine Ex-Frau und dort sollen die Menschen die Bedrohung durch die Zombie-Plage besser im Griff haben. Benardi, ein ehemaliger – leider unfähiger – Arbeitskollege, schließt sich Charles an. Unterwegs treffen sie nicht nur auf Untote, sondern auch auf die rüstige Seniorin und Anarchistin Camille, sowie auf die traumatisierten Jugendlichen Luca und Zoe. In Genf, einer der letzten Bastionen der Menschen, angekommen, hilft Charles bei der Verteidigung, während Benardi Unterlagen und Daten für einen potentiellen Impfstoff gegen das Z-Virus präsentiert. Dann spitzt sich die Situation zu. Zombies drohen die Barrikaden zu überrennen und Armee-intern deckt Charles die wahren Absichten der Offiziere auf…
Mit was haben wir es denn nun hier zu tun? Zweiter Zyklus? Oder doch Spin-off Serie? Ich denke, letzteres. Liegt der erste Band der Nechronologien doch als (eigentlich) abgeschlossene Geschichte vor. Möglich, dass die weiteren Bände von anderen Zeichnern gestaltet werden und andere Protagonisten an anderen Orten zum Thema haben. Aber: ein zweiter Zyklus ist noch nicht angekündigt. Und genau da liegt der Hase im Pfeffer: Olivier Peru, bzw. seine Zeichner sind nicht die schnellsten (das liegt in der Natur erfolgreicher franko-belgischer Comics) und beim langen Warten auf den nächsten Band war doch – vor allem im ersten Zyklus, der äußerst spannend geschrieben war – Geduld gefragt.
Aber egal. Peru erfindet hier das Zombie Genre nicht neu, sondern folgt der Zombie-Comic-Leitlinie: Protagonist muss ein Ziel erreichen, trifft unterwegs auf Zombies und andere Überlebende, meistert gefährlich gefräßige Situationen, mit anschließendem guten oder schlechten Ende. Was neu oder zumindest ungewöhnlich für einen solchen Comic ist: Orte der Handlung sind nicht die Weite Amerikas oder ein Einkaufszentrum, sondern – mitten in Europa – Paris und Genf (gut, Zombies Band 0 spielte in Rußland). Und der Held ist zwar ein taffer, durchtrainierter Typ, aber älteren Jahrgangs. Kein junger Action-Schnösel, sondern ein von der Politik desillusionierter alternder Bodyguard (Wolfgang Petersens In The Line Of Fire lässt grüßen), der vier Präsidenten gedient hat und bald in den Ruhestand geht. Apropos: der aktuelle französische Präsident Hollande als feiger, nur auf eigenen Vorteil bedachter Unsympath – das ist schon starker Tobak. Offenbar ist Peru kein Anhänger der Sozialisten – wenngleich die anderen, Mitterrand, Chirac und Sarkozy in Charles‘ Rückblick auch nicht besser wegkommen…
Das Motiv der (fehlenden) Hilfsbereitschaft und des uneigennützigen Handelns zieht sich durch den ganzen Band. Die Elenden (so der Titel des Bandes), das sind Hollande, die Offiziere in Genf, wie auch zum Teil Benardi. Nämlich genau das, was Charles, ‚Der Leibwächter‘, nicht sein will: feige, elitär, auf eigene Interessen bedacht, völlig egal ob auf Kosten der ‚Normalbürger‘ oder wen auch immer. So legt er angesichts der Untoten-Plage die Gleichgültigkeit ab, die er sich von Berufs wegen seinen Chefs, den Präsidenten, gegenüber aneignete und versucht, der Gesellschaft, der Zivilisation, oder was davon übrig ist, etwas zurückzugeben. Der berühmte Funken Menschlichkeit im allgemeinen Chaos, in der Hoffnung, dass er überspringen möge, auch wenn das eigene Opfer groß ist.
Für die Umsetzung holte sich Peru einen neuen Zeichner (Sophian Cholet, der Band 1-3 des ersten Zyklus‘ in Szene setze, zeichnete das Cover). Nicolas Petrimaux‘ Stil ist sehr kantig, bisweilen schematisch, ja fast Holzschnitt-artig, dabei trotzdem sehr detailliert. Gewöhnungsbedürftig, aber hoch interessant. Stellenweise erinnert er mich an die Comics von Vance. Die Farben sind wie bei den anderen Bänden auch dunkel gehalten und dabei stimmig. Viele Brauntöne, weniger bunt, dem Genre entsprechend. Eine würdige Weiterführung des Themas und wir sind gespannt, was Peru noch alles Zombie-technisch in petto hat. Wenn es nur nicht wieder so lange dauern würde… (bw)
Zombies Nechronologien, Band 1: Die Elenden
Text: Olivier Peru
Bilder: Nicolas Petrimaux
56 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
13,80 Euro
ISBN: 978-3-95839-034-8