Selbst ein Timelord hat es manchmal nicht so leicht. Da fällt man daheim auf Gallifrey in Ungnade und wird auf die Erde verbannt, rettet dann gemeinsam mit zahlreichen früheren Ichs das Universum und erhält als Dank zumindest die Fähigkeit zurück, durch Raum und Zeit zu reisen. Aber weil es gerade so gut gefällt, bleibt der gute Doktor auf der Erde und kämpft mit seiner aktuellen Begleiterin Jo Grant und Brigadier Alistair Gordon Lethbridge-Stewart (braucht bei Unterschriften immer zwei Zeilen), die für die Abwehreinheit UNIT arbeiten, gegen Kroppzeug aller Art. Und was ist der Dank? Eine waschechte Invasion von außerirdischen Mini-Robotern, die alles und jeden attackieren und imitieren, was in ihre Nähe kommt.
Der Doktor eilt an Ort und Stelle, nur um festzustellen, dass auch eine seiner früheren Inkarnationen in der Sache mitwurstelt und dabei die Tardis ramponiert hat. Als Jo von den Robotern befallen wird, sieht der Doktor keine andere Chance, als in ihr Unterbewusstsein einzudringen, um ihren Geist zu retten. Dort tritt er in Kontakt mit der Schwarmintelligenz und beginnt daran zu zweifeln, dass man es hier wirklich mit einer echten Invasion zu tun hat. Gleichzeitig entpuppt sich der angebliche General Mayhem als niemand anderer als der Master, ein Timelord und ex-Kollege des Doktors, der glaubhaft machen kann, dass hier wohl ganz gewaltig etwas nicht stimmt. Womit er Recht hat, denn hinter der Maske des vermeintlichen früheren Alter Egos des Doktors steckt Ramon Salamander, ein alter Bekannter und Zeitreisender, die nichts anderes als die Macht über Raum und Zeit an sich reißen will…
Auch in der BBC-Serie hält langsam aber sicher die Modernität Einzug: Doktor Nummer 12 Peter Capaldi übergibt den Schallschraubenschlüssel demnächst an den ersten weiblichen Doktor (wie nennt man das dann? Doktorin? Ärztin?), wie das bei den einschlägigen Comic-Ikonen mittlerweile ja Usus ist (Thor, Captain Marvel, Iron Man – die holde Weiblichkeit hat sich überall ihren Raum gebahnt). Auf den Seiten der Comic-Adaptionen können wir alldieweil neue Abenteuer des dritten Doktors verfolgen, den Jon Pertwee in der BBC-Serie von 1970 bis 1974 verkörperte, als der Doktor von den Timelords auf die Erde verbannt war wie weiland der Silver Surfer von seinem Meister Galactus. Mit dem Master, einem abtrünnigen Timelord, bringt diese abgeschlossene Storyline den am häufigsten auftretenden Widersacher unseres Doktors an den Start.
Auch die Geheimeinheit des britischen Verteidigungsministeriums UNIT – quasi eine Art Argus oder SHIELD – mit den Protagonisten Jo und dem Brigadier sind dieser Phase des Who-Universums entsprungen, ebenso wie das Aufeinandertreffen verschiedener Inkarnationen unseres Helden: in dem Mehrteiler „The three Doctors“ von 1972 treten sich alle bisherigen Doktoren (also auch Nummer 1, William Hartnell, und Nummer 2, Patrick Troughton) entgegen. Wie Paul Cornell also den Hauch der frühen 70er trifft, so müht sich auch Christopher Jones in seinen Zeichnungen und eine möglichst getreue Reproduktion von Charakteren und Requisiten: Doktoren, Brigadier und Master scheinen ihren TV-Vorbildern wie aus dem Gesicht geschnitten, der Doktor trägt die gleiche exaltiert-dandyhafte Kleidung inklusive der legendären Rüschen-Bluse, und auch sein grell gelber Oldtimer namens Bessie darf nicht fehlen. Die Reise ins Unterbewusstsein von Jo erscheint wie ein flower power LSD-Trip und liegt somit ebenfalls exakt im Zeitkorridor (was bei Doktor Who ja immer ein passender Begriff ist).
Auch wenn der letzte Schmiss der Story fehlt und die wohlige Nostalgie natürlich die Kenntnis der entsprechenden Episoden voraussetzt, die im deutschsprachigen Raum überwiegend zumindest im Fernsehen nie zu sehen waren, finden Freunde des guten Doktors hier genug Futter für vergnüglichen Genuss. Der vorliegende Band enthält die Original-Ausgaben „Doctor Who: The Third Doctor“ 1-5, eine Cover-Galerie, diverse Easter Eggs und ein Interview mit ESA-Mitarbeiter Professor Mark McCaughrean über die wissenschaftlichen Aspekte der Serie (was wir ja von Star Trek sattsam kennen). Eines ist sicher: das Comic-Universum des Doktors expandiert gewaltig, mit Sonderbänden („Gefangene der Zeit“, „Die vier Doktoren“) und Spin-Offs („Torchwood“) neben der regelmäßigen Serie – da braucht man glatt eine Tardis, um das alles zu verstauen. Wir werden uns umsehen. (hb)
Doctor Who: Der dritte Doctor – Die Herolde der Vernichtung
Text: Paul Cornell
Bilder: Christopher Jones, Hi-Fi
132 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
16,99 Euro
ISBN: 978-3-741-60237-5