Urlaub muss jeder mal machen, sogar der Mann, der schneller zieht als sein Schatten. Da kommt es Lucky Luke gerade recht, dass im kleinen Nest Straight Gulch ein Job zu vergeben ist, der sich durchaus geruhsam anhört. Ein launiger Schweizer namens Mr. Sprüngli ist eigens aus der Schweiz angereist, um einen Transport von Milchkühen aus seiner Heimat zu überwachen. Nach einem recht anstrengenden Trip sollen sich die fünf Mädels erst mal erholen, immerhin soll ihre Milch besonders sanft und sahnig sein. Denn Mr. Sprüngli sieht in der neuen Welt einen riesigen Markt für sein Produkt: Chocolade nach Schwyzer Rezept soll die ollen Kamellen, die die Cowboys lutschen, ablösen, aber dafür brauchen die Milchkühe erst mal Ruhe.
Im Job Center lernt Lucky Luke dabei den melancholischen Bud Willis kennen, der nach einem angeblichen Techtelmechtel mit Terrence McQueen in Straight Gulch erst mal unten durch ist. Lucky nimmt den stämmigen Burschen vor den niederträchtigen Cliff Hanger und Nes Quick, die ihn wüst als „Steckrübe“ beschimpfen, in Schutz und beschließt, den Job gemeinsam mit ihm anzunehmen. Am Bahnhof übernimmt das ungleiche Paar die Kühe von Calamity Jane, die gewohnt burschikos den bisherigen Transport begleitet hat, und macht sich auf in Richtung Dandelion Valley, wo man sich nicht nur mit den Indianern Buffalo Bitch und Sitting Butch, sondern auch mit den Fieslingen Hanger und Quick herumschlagen muss…
Im fünften Hommage-Band kredenzt uns nach den Variationen von Bonhomme, Bouzard und Mawil nun also auch der deutsche Genre-Veteran Ralf König seine ganz eigene Version des einsamen Cowboys, in der nicht nur Gags im Sekundentakt abgefeuert werden, sondern auch eine gute Portion Reflektion und Ehrerbietung an den Lucky Luke-Schöpfer Morris anklingt. Erzähltechnisch kreiert König eine kleine Rahmenhandlung, in der vierzig Jahre später ein gealterter Bud vor seiner Hütte von damals erzählt, als er mit dem berühmten Lucky Luke in ein Abenteuer verwickelt wurde. Auch in Straight Gulch kennt jeder den einsamen Cowboy aus den „berühmten Bilderbüchern“ und ist hellauf begeistert, auch wenn Lucky in der Realität nicht so ansehnlich ist wie auf den Buchseiten und Jolly Jumper nicht so redselig wie in der Vorlage zu sein scheint.
Für die Ganoven ist es eine Ehre, wenn „der große Lucky Luke“ ihnen die Pistolen aus der Hand schießt und dann feststellt: „Ja, es gibt mich wirklich, ich laufe rum“. Bud outet sich als früherer Fan, der alle Alben gelesen hat und vor allem die Zeichnungen bewunderte: „Sieht aus wie lässig hingekritzelt, ist aber exakt aufm Punkt! Große Kunst.“ Hier spricht zweifelsohne der Morris-Fan König selbst, der nach eigenem Bekunden nach der Lektüre von „Calamity Jane“, die hier natürlich einen Auftritt hat, begeisterter Anhänger von Morris und seinem berühmten Strich wurde.
Neben witzigen Namensverballhornungen en masse, dem Luky Luke-typischen Querverweis auf die moderne Welt (der Schweizer heißt schließlich nicht umsonst Sprüngli, die Kühe sind durch die Strapazen der Reise lila geworden, usw. usw.) und der natürlich humorig ausgebreiteten Begeisterung für alles Männliche (bis hin zu Luckys Brustwarzen, die er im Original nicht aufweist) baut König auch ein paar durchaus bedenkenswerte Seitenhiebe auf unausrottbare Homophobie ein, was in dieser süßen Verpackung die Wirkung hoffentlich nicht verfehlt. Somit ein ganz und gar charakteristischer und aus eben diesem Grunde mehr als würdiger Beitrag zur Hommage-Reihe, die hoffentlich ihre Fortsetzung findet. (hb)
Lucky Luke Hommage, Band 5: Zarter Schmelz
Text & Bilder: Ralf König
56 Seiten in Farbe, Hardcover
Egmont Comic Collection
16 Euro
8,99 Euro (Softcover, Kiosk-Ausgabe)
ISBN: 978-3-7704-0500-8